Das wird der Monat, der wird (10): Rot-weiße Träume sind Schäume
VORSCHAUHeute mit dem Bergauf-Steilom im Skizirkus, einer Erststrophenloge und den Abschieden von Rudi Völler und Julian Nagelsmann
Belfast, 5. Oktober. Löw-Deutschland gewinnt in Nordirland mehrfach : null und kann die WM-Teilnahme im Russland nicht mehr vermeiden. Der DFB ist glücklich („Wir sind glücklich“) und freut sich (Wir freuen uns“), zumal in Belfast „das geifernde Rechtsaußenpublikum nachweislich mehrere Phon leiser war als zuletzt in Prag; ein Erfolg unserer präventiven Strategie“. Über die WM-Kartenwünsche der AfD-Bundestagsfraktion („die Herrschaften wünschen eine Erststrophenloge“) werde noch intern diskutiert.
Hoffenheim, 7. Oktober. Julian Nagelsmann, TSG-Trainer, gibt auf einer internationalen Pressekonferenz bekannt, er habe schon wieder vom FC Bayern geträumt. Er lacht darüber – noch.
Leverkusen, 15. Oktober. Eben noch Champions League, jetzt das Topspiel der innerligalen Absteiger: Leverkusen gegen Wolfsburg. Der Kicker schreibt von „Jammerduell der Extraklasse“, unter Fußballtraditionalisten gilt das Match als Event, weil es „Hoffnung gibt, dass Geld und Konzernmacht doch nicht alles sind“. Nach einem beidseitig glücklichen 0:0 gerät Sportchef Rudi Völler ob der „desaströsen Dürftigkeiten“ in eine Wutschleife mit sich selbst („Was mach ich hier fürn Scheiß!“), entlässt den nächsten Trainer („Wie hieß der nochmal?“) und sich aus Versehen dazu.
Hoffenheim, 19. Oktober. Julian Nagelsmann döst beim Europa-League-Spiel gegen Basaksehir Istanbul (1:3) ein. Dietmar Hopp schickt ihn ins Bett: „Schlaf dich aus. Ich übernehme fürsorglich die Pressekonferenz.“
Hoffenheim, 23. Oktober. Julian Nagelsmann beginnt eine Traumtherapie. Er wird vorläufig vom Training freigestellt. „Wir nehmen psychische Belastungen unserer Mitarbeiter sehr ernst“, sagt Klubchef Hopp.
Palm Beach, 22. Oktober. Das ewige Golfphänomen Bernhard Langer, 60, ist verzweifelt: „Die jungen Leute von Anfang 50 sind nicht mehr konkurrenzfähig.“ Nach immer neuen Siegen auf der US-Championstour (zuletzt noch Ende September) will der Inhaber aller denkbaren Seniorenrekorde „ab sofort die Karrierestrategie ändern“ und „nur noch das eigene Alter als Gegner akzeptieren“: Als „Age Shooter“ werde er versuchen, immer weniger Schläge pro Runde zu brauchen, „als ich Lebensjahre geschafft habe“. Anfangs werde es vielleicht mühsam, so Langer, „aber ab 70 oder 80 habe ich beste Chancen. Und noch nie hat jemand mit 100 eine 99 gespielt.“
Cottingen/Offenchen, 24. Oktober. Aufstand der gewesenen Giganten: In den Fußball-Regionalligen dominieren auf rührende Weise Exbundesligagrößen wie 1860 München, Kickers Offenbach, Energie Cottbus, KFC Uerdingen. Am Ende aber, so vehemente Klubklagen, wird das Nadelöhr auch für Ligameister zu eng: In den Qualifikationsspielen werden sie sich gegenseitig eliminieren. „Fußball goes Selektion“ sei das doch. Der DFB reagiert kühl: „Champions-League-Sieger wird man ja auch nicht automatisch durch einen lokalen Titel“, teilt Verbandschef Grindel mit.
Hoffenheim, 25. Oktober. Juliana Nagelsmann, Gattin des TSG-Trainers, zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus. „Er hat nachts immer heftiger fantasiert“, wird sie in der Rhein-Neckar-Zeitung zitiert, „und er singt im Schlaf vom Stern des Südens.“
Sölden, 27. Oktober. Der Skizirkus beginnt, Abfahrt, Slalom, Superslalom, spezielle Hyperslaloms; das Übliche halt und traditionell bergab wie seit Luis Trenkers Zeiten. Schneelinguisten erklären, dass der Begriff Slalom aus dem Norwegischen komme und „leicht abfallende Skispur“ heiße. Alles nicht mehr zeitgemäß, ab sofort wird der Spezialsteilom als erstes experimentelles Bergaufrennen ausgeschrieben. Die WM 2018 soll auf der Streif stattfinden.
Hoffenheim/München, 29. Oktober. Nach Gattin Juliana („. . . zuletzt hatte er Bayern-Bettwäsche aufgezogen, das finde ich ekelhaft“) trennt sich auch die TSG von Julian Nagelsmann. „Es ging nicht mehr“, so Dietmar Hopp betrübt, „gestern gegen Gladbach versuchte er, die Spieler mit Mia-san-mia-Parolen zu motivieren.“ München verlängert augenblicklich mit Carlo Ancelotti. „Der FC Bayern steht für Kontinuität“, kommentiert Uli Hoeneß diabolisch grinsend, „für die Zukunft ist Peter Bosz sicher ein cooler Typ.“
Bernd Müllender
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