Das war auch: Niedersachsen bleibt Abtreibungswüste
In Niedersachsen müssen Frauen für eine Abtreibung bis zu 150 Kilometer fahren. Die taz fragt seit drei Jahren beim niedersächsischen Frauen- und Gesundheitsministerium nach, wie es diesen Frauen helfen will. Die Antwort ist immer gleich: „In Niedersachsen ist ein ausreichendes Angebot an Praxen und Einrichtungen vorhanden, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.“ So hat es eine Regierungsvertreterin im März auch den Mitgliedern des Sozialausschusses des Landtags erklärt.
Dem widersprechen zwar die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen im katholischen Westen des Landes – aber das kann das Ministerium nicht wissen, weil es die nicht fragt, wie ein Sprecher der taz jetzt verriet. Und warum nicht? Na, weil keine „Regionen als unterversorgte Gebiete bezeichnet werden können“.
Das Ministerium sagt auch, wie es zu dieser Theorie kommt. Es gäbe in Niedersachsen 86 Kliniken mit Gynäkologie. Dabei hat die Regierungsvertreterin im Ausschuss eingeräumt, dass sie nicht weiß, ob die alle Abtreibungen nach der Beratungsregelung machen. Manchmal reicht ein Chefarztwechsel, und schon finden an einer säkularen Klinik keine Abbrüche mehr statt. In den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim gibt es nur katholische Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche, wenn überhaupt, nur nach Vergewaltigung machen.
Um zu dem Schluss zu kommen, dass das Angebot ausreicht, hat das Ministerium den Kreis um die betroffenen Landkreise weiter gezogen. Wie praktisch, dass Niedersachsen acht Bereiche für die Versorgung mit Beratungsstellen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz definiert hat! Bereich 8 umfasst das Emsland, die Grafschaft Bentheim sowie Osnabrück und den darum liegenden Landkreis. In diesem Bereich hat das Ministerium elf Krankenhäuser gezählt. Und sage und schreibe vier Ärzt*innen, die dem statistischen Bundesamt Abbrüche gemeldet haben.
Wer wird denn nachrechnen, dass es aus dem äußeren Westen des Emslands immer noch 100 Kilometer bis Osnabrück sind, mit miesen Bahnverbindungen? Oder nachhaken, wo die vier Ärzt*innen ihre Praxis haben? Das Ministerium für Frauen Gesundheit und Soziales jedenfalls nicht. Eiken Bruhn
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