Das langsame Scheitern der WTO : KOMMENTAR VON NICOLA LIEBERT
Die Frage ist bald nicht mehr: Scheitert die seit 2001 laufende Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO)? Sondern: Wann geben die Beteiligten endlich zu, dass sie scheitert? Zwar gingen auch frühere Welthandelsrunden nie pünktlich zu Ende. Aber diesmal ist die Lage viel ernster. In einem Jahr läuft die Verhandlungsvollmacht des amerikanischen Präsidenten aus, die der US-Kongress immer nur befristet erteilt. Die Wahrscheinlichkeit einer Verlängerung ist beinahe null.
Schon immer mussten US-Präsidenten um ihre Verhandlungsvollmacht kämpfen. Schon immer hatten die US-Abgeordneten Zweifel, ob ihnen multilaterale Verhandlungen Vorteile bringen würden. Doch jetzt scheint daraus die Gewissheit geworden zu sein, dass man in Genf nichts zu gewinnen hat. Entweder man geht Kompromisse ein – dann bekäme man Ärger mit den Wählern, insbesondere den heimischen Farmern, denen die Subventionen gekürzt würden. Oder man geht keine Kompromisse ein – dann erzielt man durch die WTO aber nicht die im Prinzip gewünschte Handelsliberalisierung. Denn dann weigern sich die Entwicklungsländer, ihre Märkte für die Exporte aus dem Norden zu öffnen. So ähnlich denken inzwischen auch viele EU-Mitgliedsstaaten.
Schließlich haben die Industrieländer einen viel einfacheren Weg, um eine Öffnung der Märkte von Entwicklungs- und Schwellenländern zu erreichen: bilaterale und regionale Handelsabkommen. Viel mehr Eifer als in der WTO legen die USA daher in Verhandlungen mit lateinamerikanischen Staaten über eine Freihandelszone an den Tag. Die EU wiederum verhandelt mit dem südamerikanischen Bündnis Mercosur, ebenso mit den asiatischen Staaten oder der Golfregion – und setzt auch afrikanische Länder unter Druck.
In der WTO können sich die Entwicklungsländer immerhin noch zusammenschließen und Nein sagen zu den Forderungen, ihre Märkte für den Norden ohne nennenswerte Gegenleistung zu öffnen. In bilateralen Gesprächen mit ihren wichtigsten Handelspartnern dagegen sind sie viel leichter erpressbar. Der Süden also droht vom Regen in die Traufe zu geraten.
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