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Das kommtSchlimme Typen

Wie umgehen mit Menschen, deren Werte und Wirken wir heute nicht mehr ohne Weiteres ehrenhaft finden – die wir aber ehren, indem wir Straßen und Plätze nach ihnen benennen? Solche Diskussionen entzünden sich gern am früheren Reichspräsidenten Hindenburg, dem man ja nahezu allerorten so gedenkt, oder es zumindest bis eben noch tat.

Aber kennen Sie auch Gustav Frenssen? Hermann Löns mochte, wie der schrieb. Frenssen nämlich war auch Schriftsteller, und im frühen 20. Jahrhundert ziemlich bedeutend, soll in den 1920er-Jahren gar für den Literaturnobelpreis im Gespräch gewesen sein. Aber der Dithmarscher sei eben auch ein von Hitler mit dem Goethepreis ausgezeichneter „literarischer Steigbügelhalter der Nazis“ gewesen. Das sagt Günter Neugebauer, der schleswig-holsteinische Landeschef des bundesweit aktiven Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“.

Der Verein beschäftigt sich mit den Nazi-Verbrechen wie auch mit dem DDR-Unrecht. In den westlichen Bundesländern aber eher mit Ersterem. Zusammen mit dem Landesbeauftragten für politische Bildung, Christian Meyer-Heidemann, richtet „Gegen Vergessen“ in Kiel eine Diskussionsveranstaltung aus – zur eingangs gestellten Frage. Denn die Umbenennung von Straßen führt ja eigentlich immer zu Diskussionen. Dass Anliegern etwa Kosten entstehen, wenn sich ihre Adresse ändert, und sie also neues Briefpapier brauchen, das ist ein echtes, wenn auch überschaubares Problem, das nicht im Ansatz die Erregung erklärt, die das Thema mitunter zutage fördert – nicht erst, seit es die AfD gibt.

Sich über solche Fragen zu verständigen, sei heute aber wichtiger denn je, sagt Neugebauer der taz: „Der Rechtsextremismus hat ja leider zugenommen, in Worten und in Taten und leider auch in Wahlen.“ Er selbst findet, es muss nicht in jedem Fall eine Umbenennung her: „Das Mindeste sind erklärende Anmerkungen.“ Aber es „gibt da durchaus verschiedene Sichtweisen. Wir haben am Montagabend auch vier verschiedene auf dem Podium vertreten“, in Gestalt von vier Historiker*innen: Saskia Handro und Hans Ulrich Thamer von der Uni Münster, Rainer Pöppinghege (Uni Paderborn) und Jan Schlürmann, Referent beim Präsidenten des Kieler Landtags. Es moderiert Berndt Steincke, Sprecher der Arbeitsgruppe „Westküste“ von „Gegen Vergessen“. Alexander Diehl

Diskussion „Antidemokraten auf Straßenschildern“: Mo, 9. 12., 18 Uhr, Kiel, Landeshaus, Plenarsaal (Achtung: Anmeldung nötig. www.politische-bildung.sh/veranstaltungen/alle/849-antidemkoraten-auf-strassenschildern.html)

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