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■ Das könnte mit einem ordentlichen Feng Shui im Hause nicht passieren:Die Karma-Attacke

Das Feng Shui meiner Wohnung ist eine Katastrophe. Schon vor dem Haus attackieren boshaft dornige Hecken die Füße. Ein Viertel der Energie des Hauses ist damit shun futsh, denn Energie haftet sich an Menschen und läßt sich von ihnen in die Häuser tragen. Hecken verschrecken positive Energie, so daß die Ley-Linien, die meine Wohnung durchwandern, Energie, die aus dem Osten einströmen will, nicht mehr aufnehmen können. Außerirdische Intelligenz, die sich an Ley-Linien orientiert, wird verwirrt. Bis zum Sankt- Nimmerleins-Tag werde ich auf die glückliche Segnung warten müssen, wenn ich nicht...

Wie bitte, Sie verstehen nur Bahnhof? Nie von Feng Shui gehört? Der uralten chinesischen Kunst der Energieoptimierung des Hauses? Nie vom Achtfeldersystem des Bagua und seinen archetypischen Energiemustern? In Hongkong wird ein Wolkenkratzer eher ohne Architekt als ohne Feng- Shui-Berater gebaut, in den USA ist der Feng-Shui-Berater neben Rechtsanwalt und Steuerberater wichtigster Ratgeber der Reichen und Erfolgreichen. Er sorgt dafür, daß die Reichen reicher und die Erfolgreichen erfolgreicher werden. Denn ein optimales Feng Shui sorgt für optimale Energie und diese für maximale Kohle. Nichts anderes als dies ist eine glückliche Segnung: Geld, viel Geld!

Das Feng Shui muß auf eine Person abgestimmt sein, auf den Haus- resp. Büroherrn bzw. auf seine elementare Energie. Mein Element ist das Feuer. Mein Feind ist – na? – das Wasser! Richtig. Meine Behausung ist ein Energiegrab. Der Energiefluß, den die Dornenhecken bereits empfindlich gestört haben, versiegt schon im Hauseingang fast völlig: Gerümpel, Altpapier, Fahrräder, leere Weinflaschen, Bier- und Mineralwasserkisten (feindliches Element!) drücken das Niveau laut Feng-Shui-Rutenmessung auf kümmerliche acht Prozent. Unterboten wird das Eingangsniveau nur noch von dem des Arbeitszimmers. Was falsch sein kann, ist falsch: blaue Sessel, weiße Wände, grüne Pflanzen, blauer Teppich. Aufkeimende Elementarenergie wird stets erstickt, noch ehe erste Flammen züngeln können. Was übrigbleibt, saugt meine schwarze Hose auf, denn Schwarz schluckt Energie. Das Schlimmste aber sind die Attacken auf meinen Kopf: Eine Yukkapalme mit ihren aggressiv spitzen Blättern auf der Phoenixseite, das ist wie im Krieg dem Feind den Rücken zudrehen, sagt Feng; eine Zimmerantenne fast vor meiner Nase auf der Drachenseite, das ist wie ein Frontalangriff mit Laserpistolen, sagt Shui; PC und Drucker zu meinen Füßen, das ist Elektrosmog, der das persönliche Kraftfeld stört und das Karma negativ beeinflußt, sagt der Berater; der Schreibtisch am Fenster lenkt von der Arbeit ab, sagt meine Nachbarin, mit der ich gerne von meinem Fenster aus plaudere. Traurige Energiebilanz: mit Ach und Krach ausgependelte drei Prozent!

Feng-Shui-Nachkontrolle: Die Energie ist von drei auf 50 Prozent gestiegen! Lila Hosen, rote Vorhänge, Bilder mit glühender Lava und feurigen Tänzerinnen und ein rostroter Berberteppich schüren mein Feuer. Der Fernseher ist samt Antenne beim Sperrmüll, die Yukkapalme im Garten, der PC im Keller. Zwar habe ich mangels Zeit und PC seit Wochen nicht gearbeitet, und mein Dispokredit ist gekündigt, doch der Feng-Shui-Berater ist sehr zufrieden, hat er doch das relative Feng Shui meiner Wohnung um mehr als tausend Prozent steigern können. Meine kleinlaute Frage nach der glücklichen Segnung wischt er souverän vom Tisch: Feng Shui sei eine östliche Philosophie, da brauche alles seine Zeit. Mitten in seine philosophischen Betrachtungen platzt Herr Leobold von der ANO-Teppichhandlung herein und holt schimpfend den Berberteppich ab, der noch immer nicht bezahlt ist. Daß ich dank Feng Shui bald reich sein werde, glaubt er nicht. Banause. Joachim Frisch

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