: „Das ist unser Spagat“
60 Jahre konnte sich die Evangelische Zeitung in Niedersachsen halten. Doch nach der Landeskirche Oldenburg macht man auch in Hannover Anstalten, auszusteigen. Ein Gespräch mit Jörn Surberg, Leiter des Öffentlichkeitsausschusses
JÖRN SURBERG, 42, Vorsitzender des Öffentlichkeitsausschusses der Synode der Landeskirche Hannover.
taz: Woran ist die Evangelische Zeitung gescheitert, Herr Surberg?
Jörn Surberg: Wir haben als Synode schon vor einiger Zeit die Auflagenzahl als Kriterium festgelegt. Die ist in den letzten Jahren deutlich rückläufig und stagniert jetzt bei etwa 26.000.
Ist es in Zeiten sinkender Kirchenmitgliedszahlen nicht kontraproduktiv, sich aus der medialen Öffentlichkeit zurückzuziehen?
Deswegen wollen wir auch nicht generell aus der Publizistik aussteigen. Die Empfehlung ist ja, eine neue Zeitschrift zu machen, die möglichst von den niedersächsischen Kirchen gemeinsam verantwortet werden soll. Das Problem der bisherigen Leserschaft der Evangelischen Zeitung ist, dass sie im Durchschnitt bei deutlich über 60 Jahren liegt.
Die meisten derjenigen, die sich für Kirche interessieren, sind ältere Leute.
Man muss jetzt natürlich genau schauen, wie die neue Zielgruppe aussieht. Wollen wir speziell Kirchendistanzierte ansprechen oder eher der Kirche Verbundene? Wir müssen das Konzept noch weiter vorantreiben.
Die endgültige Entscheidung über die Evangelische Zeitung steht – formell – aber noch aus.
In Braunschweig gibt es Überlegungen, die Evangelische Zeitung weiter zu betreiben. Es gibt aber noch keinen Beschluss dazu. Unser Wunsch ist es natürlich, etwas Gemeinsames zu machen.
Was machen Kirchenmagazine wie Chrismon oder die Evangelische Sonntagszeitung , deren Auflage um 30 Prozent gestiegen ist, besser?
Der Evangelischen Zeitung droht nach 60 Jahren das Aus. Die Wochenzeitung, die gemeinsam von den Landeskirchen Hannover, Braunschweig und Oldenburg getragen wird, hat derzeit eine Auflage von 26.000 – 1995 war sie doppelt so hoch. Die Landeskirche Oldenburg hat ihren Ausstieg bereits beschlossen, die Synode in Hannover hat ihn jüngst empfohlen. Im Herbst will sich der größte Träger, die Landeskirche Hannover, endgültig entscheiden. DPA/TAZ
Gute Frage. Chrismon ist zum Teil deshalb attraktiv, weil es ganz bewusst die Zielgruppe Kirchendistanzierter anspricht. Das ist unser Spagat: Es gibt Leute, die sagen, dass die Evangelische Zeitung zwar eine schwache Auflage hat – aber die Leute sind da. Und wenn man etwas Neues macht, weiß man nicht, ob sie dabei bleiben. Was für uns heißt: Für einen Teil eines Nachfolgemagazins könnten wir Abonnenten gewinnen, ein Teil müsste aber auch verteilt werden.
Hätte die Evangelische Zeitung bei einer anderen publizistischen Ausrichtung mehr Chancen gehabt?
Die Evangelische Zeitung ist sicher ein sehr gut gemachtes Blatt. Und es hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen der Redaktion gegeben, sie noch besser zu machen und noch andere Zielgruppen anzusprechen. Auf der anderen Seite musste man wegen der Kürzung der Zuschüsse von Hannover von jährlich 900.000 auf 400.000 Euro Personal abbauen. Deswegen ist es bereits jetzt fraglich, ob man mit diesen Mitteln die Zeitung sinnvollerweise hätte betreiben können. INTERVIEW: GRÄ