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Archiv-Artikel

Das große Schweigen

Kaum jemand interessiert sich für das Schicksal der beiden entführten Deutschen im Irak. Weil es uns egal ist?

Niemand weiß, ob Hannelore und Sinan Krause noch leben. Aber das scheint auch kaum jemanden in Deutschland zu interessieren. Die 61-jährige Deutsche und ihr 20-jähriger Sohn wurden am 6. Februar in Bagdad von Unbekannten verschleppt, die sich „Brigade der Pfeile der Rechtschaffenheit“ nennen.

In einem Video, das Anfang April veröffentlicht worden war, sah man zwei verzweifelte Menschen, die um Hilfe baten. „Ich bitte euch, vielleicht könnt ihr zu den Zeitungen gehen, vielleicht könnt ihr einen Protestmarsch organisieren, vielleicht könnt ihr irgendetwas unternehmen, um uns in irgendeiner Weise zu helfen“, flehte Hannelore Krause.

Dass danach irgendwo Menschen für die Entführten auf die Straße oder in die Redaktionen gegangen sind, ist nicht bekannt.

Als in den letzten Jahren italienische und französische Staatsbürger entführt waren, gingen Zehntausende auf die Straße. Die Fotos der Geiseln waren bis zu ihrer Freilassung an prominenter Stelle in Zeitungen und dem Straßenbild der Städte zu sehen. Für die beiden Leipziger René Bräunlich und Thomas Nitzschke, die im letzten Jahr verschleppt worden waren, wurden Mahnwachen organisiert.

Warum wird das Schicksal der Krauses hingegen weitgehend ignoriert? Sicher gibt es dafür nachvollziehbare Gründe. Der Gewöhnungseffekt könnte eine Rolle spielen. Schließlich hört man fast täglich von neuen Gewalttaten im Irak. Ohnmachtsgefühle dürften ein weiterer Grund für die Apathie sein. Was kümmert es die Entführer im Irak, wenn hier jemand auf die Straße geht? Den meisten jedoch dürfte das Schicksal der Gekidnappten schlicht und einfach völlig egal sein. Sind die nicht auch selber schuld? Warum müssen die auch auf einem so gefährlichen Flecken der Erde leben? Vergleiche mit Murat Kurnaz drängen sich auf. Die mehrjährige Inhaftierung des Bremer Türken in Guantánamo löste ebenfalls keine Proteste aus. Die Frage, ob deutsche Politiker zumindest indirekt an der Verlängerung seiner Haft beteiligt waren, ist mangels öffentlichen Interesses längst vom Tisch. Die Frage, ob das Schicksal der Krauses vielleicht auch etwas mit der deutschen Außenpolitik zu tun haben könnte, stellt niemand. Aber den Deutschen fehlt es nicht an Empathie. Schließlich bewegt die Frage, ob Eisbärbaby Knut bald Zähne bekommt, die halbe Nation. PETER NOWAK