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Archiv-Artikel

Das feige und zynische Doppelspiel KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH

Murat Kurnaz ist wieder in Deutschland. Nach viereinhalb Jahren völkerrechtswidrigen Freiheitsentzugs in Guantánamo kehrte der junge Deutschtürke gestern wieder in seine Heimatstadt Bremen zurück. Bei aller Freude muss jetzt aber auch die Rolle der Bundesregierung in diesem Drama aufgearbeitet werden.

Zwar hat sie sich in den vergangenen Monaten nachdrücklich für Kurnaz’ Freilassung eingesetzt. Doch Ende 2002, als die USA eine frühe Rückkehr des offensichtlich harmlosen jungen Mannes anboten, sagte die rot-grüne Regierung unglaublicherweise Nein: Kurnaz sei in Deutschland unerwünscht. Sie hat damit einem hier geborenen und aufgewachsenen Menschen Hilfe und auch die Freiheit verweigert. Damit trägt sie Mitverantwortung für weitere dreieinhalb Jahre sinnlosen Freiheitsentzugs unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Dieses Verhalten straft alle Bekenntnisse zu einer an Menschenrechten orientierten Politik Lügen. Kein Wunder, dass man den Vorgang geheim gehalten hat, bis er im März dieses Jahres eher zufällig am Rande des BND-Skandals ans Licht kam. Jetzt wäre aber der Moment, wo der Bundestag diesen Skandal verurteilen muss. Nun kann sich niemand mehr hinter laufenden Verhandlungen mit den USA verstecken. Der Prüfauftrag des BND-Untersuchungsausschusses sollte so schnell wie möglich um diesen Punkt ergänzt werden. Exkanzler Schröder, Exaußenminister Fischer, Exinnenminister Schily und der damalige Geheimdienstkoordinator Uhrlau (jetzt BND-Chef) müssten jetzt ihr seinerzeitiges Verhalten rechtfertigen. Das Mindeste ist, sich bei Murat Kurnaz und seiner Familie zu entschuldigen.

Dass das Vorgehen der Bundesregierung durchaus System hatte, zeigt ein anderer Vorgang. Auch bei dem Deutschsyrer Mohammed Zammar, der von der CIA nach Syrien verschleppt wurde und dort noch immer festgehalten wird, hat sie ein feiges Doppelspiel gespielt. Bis 2005 bestritt sie jede Kenntnis über Zammars Verbleib, obwohl deutsche Ermittler ihn schon 2002 in Syrien verhört hatten. So viel zynischer Mangel an Mitgefühl mit den Angehörigen ist man eher von Staaten wie China gewohnt.