piwik no script img

Archiv-Artikel

Das falsche Signal KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Nichts galt zuletzt so sehr als Symbol für die „handwerklichen Fehler“ von Hartz IV wie die Regelung, die arbeitslosen Jugendlichen auf Staatskosten die Gründung einer eigenen Existenz ermöglichte. Viele junge Erwachsene unter 25 Jahren, die zuvor aus finanziellen Gründen bei ihren Eltern wohnen mussten, zogen plötzlich in eine eigene Wohnung – schließlich übernahm die Arbeitsagentur neben den Lebenshaltungskosten auch die Miete. Das Hartz-Gesetz, so schien es, brachte ältere Erwerbslose um die Früchte eines langen Arbeitslebens, um gleichzeitig junge Faulpelze zu finanzieren.

Aber welches Weltbild sprach eigentlich aus dieser Kritik? Einerseits verlangt die Politik von den Jüngeren mehr Selbstständigkeit, mehr Mobilität und – im Zuge der demografischen Debatte – auch mehr Bereitschaft, frühzeitig Nachwuchs in die Welt zu setzen. Andererseits setzt aber die deutsche Sozialgesetzgebung alles daran, die Abhängigkeit vom Elternhaus möglichst zu verlängern. Ob es nun die jungen Arbeitslosen sind oder die Studierenden mit ihren niedrigen Bafög-Freibeträgen und fehlenden Stipendien – sie alle werden in die Abhängigkeit von den Eltern verwiesen.

Politiker und Publizisten geißeln gerne, dass junge Erwachsene heute anders als in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht mehr bei erstbester Gelegenheit das Elternhaus verlassen, sondern es sich bei freier Kost und Logis samt Vollpension und Wäscheservice angeblich gemütlich machen. Doch in Wahrheit sind es vor allem die prekären Jobaussichten, die das Phänomen verursachen. Kaum jemand unter dreißig hat heute noch einen sicheren, unbefristeten Job. Wer aber kaum weiß, ob er die eigene Wohnung in ein paar Monaten noch bezahlen kann, wird sich kaum eine suchen.

Nichts spricht dagegen, gerade bei jungen Arbeitslosen das Prinzip des Förderns und Forderns ernst zu nehmen – also durchaus auch den Druck auf sie zu verstärken, im Zweifel lieber eine Arbeit anzunehmen, als sich auf staatliche Unterstützung zu verlassen.

Aber zu einem erfolgreichen Start ins Erwerbsleben gehört auch die persönliche Selbstständigkeit. Der Zwang, sich im Hotel Mama einzurichten, ist dafür der falsche Weg.