Das doppelte Türmchen

Zur Uraufführung eines Dokumentarfilms über seine Arbeit bekräftigt Timm Ulrichs den Plagiatsvorwurf gegen seinen Künstlerkollegen Guillaume Bijl bei „skulptur projekte münster 07“

VON MARCUS TERMEER

„Versunkenes Dorf“ heißt Wolfgang Bradens Dokumentarfilm über den selbst ernannten „Totalkünstler“ Timm Ulrichs. Der war von 1972 bis 2005 Professor an der Münsteraner Kunstakademie. Der Film zeigt die Realisation von seiner gleichnamigen Architektur-Skulptur in München- Fröttmaning (2004 bis 2006) und wurde am Wochenende in Münster uraufgeführt.

Das war kein Zufall. Nach wie vor beschuldigt Ulrichs den belgischen Künstler Guillaume Bijl des Plagiats. Der ist seit 2001 ebenfalls Professor in Münster und ist bei den „skulptur projekten münster 07“ vertreten, die Mitte Juni eröffnet werden. Bijls „Archeological Site (A Sorry Installation)“ am Aasee nahe des Freilichtmuseums „Mühlenhof“ ist eine gefakte archäologische Grabungsstätte als ironisch-poetischer Kommentar auf die Inszenierung von Öffentlichkeit, Kulturtourismus und Freizeitindustrie. Zu sehen ist ein acht Quadratmeter Loch, gut fünf Meter tief in einem Hügel. Darin steht ein versunkener Turm mit Schieferdach und Wetterfahne.

Das passt recht gut zu Münster mit seinem nach 1945 pseudo-historisch wieder errichteten Prinzipalmarkt. Als ein spielerisch-künstlerisches „Täuschungsmanöver“ kündigen es die Kuratoren der „skulptur projekte“ an. Ein Täuschungsmanöver sieht auch Ulrichs, meint das aber ganz anders. Er habe nach seinem Sieg im Wettbewerb des Münchener Baureferats 2004 eine Beschreibung seines „Versunkenen Dorfs“ in alle Briefkästen der Kunstakademie Münster gesteckt – auch in den Bijls.

Im Schatten der „Allianz Arena“ in Fröttmaning errichtete Ulrichs einen Beton-Zwilling der romanischen „Heilig-Kreuz-Kirche“. Die sollte ebenso verschwinden, wie das ganze restliche Dorf, das in den 1950er Jahren einer Müllkippe weichen musste. Die Kirche konnte nach Protesten gerettet werden. Der Atheist Ulrichs errichtete ihren Zwilling als melancholisch-ironisches Abbild eines Fortschritts, der als Müll alte Kultur unter sich begräbt. Die Kirchenskulptur versinkt als „Menetekel“ im Berg, tritt aber ebenso als Wiedergängerin des Dorfes aus ihm heraus.

Seit gut einem Jahr beklagt Ulrichs in öffentlichen Briefen und einem ergebnislosen Gespräch mit dem Kuratorium der „skulptur projekte“ Bijls Skulptur als illegitime Doppelgängerin. Bijl habe schon sein Reitparcours-Hindernis (Schöppingen 1998) abgekupfert und 2000 in Dronten wiederholt. „Das ist auch eine menschliche Enttäuschung“, sagt Ulrichs der taz. Die KuratorInnen der „skulptur projekte“, Kasper König, Brigitte Franzen und Carina Plath, lassen ausrichten: „Keine Stellungnahme von unserer Seite.“ Im August 2006 hatte Franzen versinkende Türme noch als „allgemeine künstlerische Ideen“ bezeichnet, auf die es kein Copyright gebe.

So sieht es auch der angegriffene Guillaume Bijl. Ulrichs Anwürfe seien „langweilig und falsch. Das ist billiger Klatsch“, sagt er der taz. Ulrichs sei in der Kunstszene bekannt dafür, alles immer schon zuerst gemacht haben zu wollen. Seine „Sorry Installation“ sei in Kontext, Konzept und Ausführung komplett anders, als Ulrichs „Versunkenes Dorf“. Er habe dessen Pläne nicht gekannt. Ulrichs Arbeit interessiere ihn auch gar nicht genug.

Die Filmpremiere am Wochenende war Auftakt einer Reihe im Münsteraner Pumpenhaus mit taz-Autor Andreas Zumach und der Tanzcompagnie „Club Guy & Roni“, die sich ab Anfang Juni mit dem Thema „Öffentlichkeit“ beschäftigt. Der Film wurde umrahmt von einem Revival der „legendären“ Kunstakademie-Weihnachtsparties mit Timm Ulrichs als DJ. Eine Idee von Pumpenhaus-Chef Ludger Schnieder, um das Ganze augenzwinkernd zu gestalten.