Das Wetter: Ungeschlachte Jünglinge:
Die hohe Kunst der Seelenkontorsion beherrschten sogar unter den Bergvölkern der cisokzidentalen Scheinardennen nur die erfahrensten und biegsamsten Krieger. Dennoch wurde in jedem Jahr ein möglichst ungeschlachter Jüngling ausgewählt, der unter dem Gejohle aller heiratsfähigen Nutztiere auf den Dorfplatz geführt wurde, wo er mit rituellem Hecheln sein Innerstes nach außen kehren musste. Anschließend oblag es den ältesten Weibern des Stammes, die derart ausgewürgte Seele zu lustigen Tierfiguren oder allegorischen Darstellungen zu verknoten, die an einem Schandbaum neben der einzigen Autobahnabfahrt des Landstrichs aufgehängt wurden, um dort böse Geister abzuwehren und Touristen anzulocken. Erst wenn beide Maßnahmen als gescheitert angesehen werden konnten, was durch einfachen Münzwurf oder einen Blick ins Übernachtungsregister bestimmt wurde, durfte die Seele in den Körper des Jünglings zurückkehren. Der aber war zu diesem Zeitpunkt meist schon zum Studium in die Stadt gezogen.
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