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Das Wetter: Der letzte Labskaus

Heute vor 173 Jahren wurde in einem Siel luvseitig des friesischen Kirchspiels Pickelsbüll der letzte in freier Wildbahn lebende Labskaus deutscher Zunge erlegt. Noch im Mittelalter hatte das amphibische Niederwild mit dem charakteristisch schwammigen Rumpf in munter plappernden Scharen die Brackwasser und Schlickmulden der norddeutschen Küstenlandschaft bevölkert, doch war es wegen seiner unkonven­tionellen Lebensart bei der Landbevölkerung in den Ruf geraten, Skorbut, Libertinage und Gottlosigkeit zu verbreiten. Lediglich Seeleute pflegten bis in unsere Zeit noch Umgang mit den Käusen, die ihnen wegen ihrer Schwatzhaftigkeit als ideale Begleiter auf langweiligen Seereisen galten. Ferner stellte ein ausgewachsener Labskaus, garniert mit etwas Gurke, eine schmackhafte Alternative zum Kannibalismus dar, der zuvor als kulinarischer wie gesellschaftlicher Höhepunkt jeder Schiffspartie herhalten musste. Heute erinnert nur mehr ein seltsam gefärbter Kartoffelstampf an die gutmütigen Reisebegleiter.

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