: Das Volk darf bevorzugt Ostland pachten
■ Treuhand privatisiert Äcker und Wälder, die zu den Volkseigenen Gütern der früheren DDR gehören
Berlin (dpa/taz) — Die Äcker und Wälder der früheren volkseigenen Güter der DDR werden ab 1.Juli 1992 zunächst für zwölf Jahre bevorzugt an ortsansässige Bauern verpachtet. Diesen Beschluß der Treuhandanstalt teilte deren Vorstand Günter Rexrodt gestern mit. Um Grundstücksspekulanten aus dem Westen von den insgesamt eine Million Hektar Ackerland und 400.000 Hektar Wald fernzuhalten, definiert die Treuhandanstalt als „ortsansässig“ all jene Personen, die am 3.Oktober 1990 in den entsprechenden Dörfern wohnten.
Diese Bauern (im Nach-LPG-Jargon „Neueinrichter“), die bisher kein Land hatten, erhalten laut Rexrodt nun die gleichen Chancen wie die Alteigentümer und die Wiedereinrichter, die einst ihr Land in die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) einbringen mußten. Dennoch werden in der ostdeutschen Landwirtschaft die Nachfolgeorganisationen der LPG auf lange Sicht eine dominierende Stellung behalten, sagte Rexrodt. Sie bearbeiten derzeit 80Prozent des verpachteten Landes.
Am 1.Juli beginnt eine Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH (BVVG), zu der sich vier Privatbanken zusammengeschlossen haben, im Auftrag der Treuhand mit der Privatisierung der Flächen, die zwischen 1945 und 1949 von ostelbischen Großgrundbesitzern und Altnazis enteignet worden waren. Da ein Verkauf an die Bauern Ostdeutschlands ohne Förderung praktisch unmöglich ist und das dazu notwendige Siedlungskaufmodell von Bonn noch nicht beschlossen wurde, soll mit einer vorgeschalteten Pachtphase von zwölf Jahren den Landwirten mehr Sicherheit gegeben werden.
Gleichzeitig erhalten die Pächter eine Option zum späteren Erwerb der Flächen. Grundsätzlich können die Bauern auch sofort kaufen — es wäre nur ohne Förderung in den meisten Fällen ihr wirtschaftlicher Ruin.
Alle Verkäufe der BVVG von mehr als 300 Hektar müssen von der Treuhand genehmigt werden, ebenso Verpachtungen von mehr als 500 Hektar an Personen und von mehr als 1.500 Hektar an die LPG- Nachfolgeorganisationen. Die Preise dürfen 3,50DM je Bodenpunkt nicht unterschreiten. Die BVVG, aus der sich die Treuhand bis 1995 zurückziehen will, muß allerdings vor einer Privatisierung eine Flurbereinigung und einen freiwilligen Flächenaustausch vornehmen. Bei zwei Millionen Flurstücken sind allerdings die Eigentumsverhältnisse noch völlig unklar. dri
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