■ Das Verfassungsgericht und die Out-of-area Einsätze: Bonns erfolgreiche Salamitaktiker
Auch als Salami-Sandwich-Verkäufer hätten Rühe, Kinkel und Naumann sicher ihr gutes Auskommen. Immer dünn genug geschnitten, daß sich niemand daran verschluckt, aber doch dick genug, daß das Fernziel jeweils ein Stück näher rückt: das möglichst uneingeschränkte Recht zum Einatz deutscher Soldaten im Ausland. Bundesgrenzschützer in Namibia, deutsche Minensuchboote im Golf, Luftwaffenhubschrauber im Irak oder die deutschen Besatzungen an Bord der Awacs-Maschinen, die während des Golfkriegs über der Türkei und nunmehr seit acht Monaten vor der dalmatinischen Küste kreisen – all diese Maßnahmen dienten der Gewöhnung der eigenen wie der internationalen Öffentlichkeit an deutsche Uniformträger im Ausland. Sie alle bewegten sich zumindest in einer verfassungsmäßigen Grauzone, wurden jedoch vom zuständigen Gericht nie überprüft. Vor diesem Hintergrund sind Anlaß und Zeitpunkt der jetzt getroffenen Karlsruher Entscheidung völlig willkürlich. Auch die deutschen Offiziere in den Awacs- Maschinen über der Türkei waren zumindest indirekt an Kriegshandlungen beteiligt. Und dies in einem Maße, zu dem es höchstwahrscheinlich über Bosnien überhaupt nicht kommen wird, weil die Serben ihre Flugzeuge am Boden lassen werden.
Die Verfassungshüter haben nicht die Courage aufgebracht, die Awacs-Frage zur Klärung an die politischen Gremien in Bonn zurückzugeben. Darüber hinaus offenbart das Urteil, wie erstaunlich wenig sich das Karlsruher Gericht bisher mit der Frage von Out- of-area-Einsätzen der Bundeswehr beschäftigt hat. Die Richter hätten Experten konsultieren können, die den Behauptungen der Bundesregierung sowie der Führung von Bundeswehr und Nato über die Unverzichtbarkeit der weiteren deutschen Awacs-Beteiligung widersprochen hätten. Sie ließen sich statt dessen von dem durch Bundesregierung und Nato-Führung inszenierten „Zeitdruck“ beeindrucken. Demzufolge eine Entscheidung unbedingt vor Beginn der Maßnahmen zur Durchsetzung des Flugverbots fallen müsse.
Angesichts dieses Urteils, seiner Vorgeschichte und seiner Interpretation im politischen durch Regierung und Bundeswehrführung sowie des weitgehenden Versagens der parlamentarischen Opposition ist nicht zu erwarten, daß in einigen Monaten im Hauptsacheverfahren eine gegenteilige Entscheidung fällt. Wahrscheinlich ist eher, daß das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr nicht nur die Beteiligung deutscher Soldaten an Awacs-Missionen, sondern darüber hinaus an Einsätzen aller Art zumindest „im Rahmen“ der UNO (und damit in vielen künftigen Fällen de facto in Ausführung durch die Nato) absegnen wird. Andreas Zumach
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