KOMMENTAR VON ANDREAS ZUMACH : Das US-Militär muss sich als Retter noch beweisen
Die Überlebenden der Erdbebenkatastrophe in Haiti „warten jetzt alle auf die amerikanischen Soldaten“. Zigmal wurde diese Behauptung in den letzten Tagen von deutschen und anderen ausländischen Haiti-Reportern wiederholt. Inzwischen sind fast 10.000 GIs in Haiti gelandet.
„Die Hilfsmissionen drohen zu militärischen Stoßtrupps zu werden; die Hilfe wird militarisiert“, befürchtet das im US-Bundesstaat Oregon ansässige Institut für Gerechtigkeit und Demokratie in Haiti. Was kann Militär bei dieser Katastrophe leisten, was zivile Hilfsorganisationen nicht können – oder könnten, wenn sie denn besser ausgestattet wären?
Nach übereinstimmender Darstellung aller BerichterstatterInnen und MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen ist das zentrale Problem die weitgehend zerstörte Infrastruktur Haitis – die Flug- und Seehäfen, Straßen, Kommunikationsnetze, Krankenhäuser und andere für das Überleben wichtige Einrichtungen. Deswegen können Flugzeuge und Schiffe mit humanitären Hilfsgütern aus aller Welt nicht landen und kann ein Großteil der Güter, die zumindest auf haitianischem Territorium angekommen sind, nicht entsprechend weiterverteilt werden. In dieser Situation ist das Militär lediglich in einem Punkt handlungsfähiger als es die humanitären Organisationen der UNO, das Rote Kreuz oder private Hilfsverbände wie die Welthungerhilfe sind: Die US-Truppen haben Transporthubschrauber und leistungsfähige Kommunikationslogistik. Die UNO hingegen verfügt immer noch nicht über derlei Mittel, weil ihre Mitgliedsstaaten dafür nicht die notwendigen Finanzmittel bereitstellen. Deshalb ist die aktuelle Kritik am „Versagen der UNO“ in Haiti im besten Fall uninformiert.
Inzwischen haben die USA mit ihren Streitkräften zumindest am Flughafen von Port-au-Prince und in seiner Umgebung de facto die Souveränität über Haiti übernommen. Mit bislang fragwürdigen Folgen: US-Soldaten haben handstreichartig alle Checkpoints der UNO-Peace-Keeping-Truppe übernommen. Ankommende Hilfsflugzeuge und ausreisewillige BürgerInnen anderer Nationen werden zurückgewiesen. US-Flugzeuge und US-BürgerInnen erhalten Priorität. Bislang wurden noch keine Erdbebenopfer durch US-Soldaten versorgt. Die Frage aber, um die es gehen muss, lautet: Wie viele Menschen werden durch diese Militäraktion gerettet werden?