■ Surfbrett: Das Schweigen der Dunkelmänner
Seit Monaten geistert ein Begriff durch die Netzwelt, der jeden Datenschützer das Grausen lehrt: „ENFOPOL“. Unter diesem Namen arbeitet die EU Richtlinien zur Überwachung des Datenverkehrs aus. Kein Provider und kein User wäre nach diesen Ideen mehr vor einer Polizei sicher, die das Netz ohne konkreten Tatverdacht und möglichst in Realzeit abhören darf. Ende Mai sollte der Richtlinienentwurf eigentlich verabschiedet werden. Dazu kam es nicht. Wegen anhaltender Kritik nicht zuletzt von Wirtschaftsverbänden dürfen die Mitgliedstaaten weiter an ihren eigenen Internetgesetzen basteln. Seither blicken nicht einmal mehr Regierungsbeamte durch – in Bonn schon gar nicht. Die im letzten Jahr aus anderem Anlaß gegründete Kampagne „Freedom for Links“ bemüht sich unter www.freedomfor links .de/Pages/enfono.html, die verfügbaren Informationen mit Links zu einschlägigen Artikeln des Onlinemagazins „Telepolis“ und den (spärlichen) Erklärungen des Innenministeriums zugänglicher zu machen. Hilfreich als Einstieg. Wer danach noch weiterfragt, findet sich alsbald in der Rolle eines Detektivs in einem Dickicht von Dementis und Gerüchten wieder. Da allein schon diese Politik der Desinformation ein Skandal ist, hat „Freedom for Links“ eine Mail-Kampagne an das Innenministerium gestartet. Über 1.200 Briefe sind bisher an Otto Schily abgesandt worden, die den Innenminister um Aufklärung bitten und nachfragen, ob er die Pläne der EU für vereinbar mit dem deutschen Grundgesetz hält. Schilys Adresse lautet:
otto.schily@mdb. bundes tag.dbp.de.
Eine Antwort liegt nicht vor – es sei denn, man wollte eine Presseerklärung des Innenministeriums vom 20. Mai als Antwort betrachten, in der es erstaunlicherweise heißt: „Eine Initiative des Europäischen Rates zum Aufbau einer europäischen Überwachungsstruktur gibt es nicht.“ Die „laufenden Arbeiten an einer Ratsentschließung betreffend die Telekommunikationsüberwachung“ seien nämlich „grundlegend mißverstanden“ worden. Der Fehler muß im System der Dunkelmänner liegen.
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