Das Schlachtfeld Irak: Waffenruhe nach dem Blitzkrieg
■ Die Waffenruhe, die die Alliierten nach 100 Stunden Bodenkrieg verkündeten, gilt einer offenbar vernichteten Armee. Von 42 Divisionen des Diktators aus Bagdad, so die Darstellung der Sieger, seien 41 ausgelöscht. US-Präsident Bush hat damit auch seinen ganz persönlichen Feldzug gegen Saddam Hussein gewonnen.
Genau sechs Wochen nach Beginn des Krieges und hundert Stunden nach Eröffnung der Bodenoffensive der Alliierten schwiegen am Golf die Waffen: Am Donnerstag morgen trat eine von US- Präsident George Bush und den Verbündeten verkündete Waffenruhe in Kraft, der sich der Irak kurz darauf anschloß. Die multinationalen Streitkräfte sind auf den Positionen geblieben, die sie zum Zeitpunkt der Waffenruhe im Süden des Iraks innehatten. „Wir befinden uns in defensiven Positionen“, hieß es beim US- Zentralkommando in Riad am Donnerstag mittag. Solange die irakischen Verbände nicht die Feuerpause verletzten, bleibe dies auch so. Verstöße gegen die Waffenruhe wurden bislang nicht gemeldet.
Bis zum Zeitpunkt der Waffenruhe waren Einheiten der Verbündeten in Kampfhandlungen in Kuwait und im Südirak verwickelt. Zuletzt konzentrierten sich die Kämpfe auf drei Zonen: zwei Gebiete im nördlichen Kuwait, wo irakische Verbände versuchten, nach Norden durchzubrechen, und ein Gebiet im Südirak, wo Teile der Elitetruppe Republikanische Garde angegriffen wurden. Zurückziehende irakische Truppen wolle man nun aber passieren lassen, auch wenn sie ihre Waffen noch dabeihätten.
Um zu verhindern, daß versprengte irakische Einheiten in Einzelfällen noch die Kämpfe fortsetzen, wurden im Kriegsgebiet Flugblätter abgeworfen, auf denen die Feuereinstellung mitgeteilt wurde. Auch wurde diese Nachricht über Lautsprecher verbreitet.
Die Waffenruhe kam für eine weitgehend zerschlagene und demoralisierte Armee, wie Offiziere der Alliierten erklärten. Die Verbündeten hätten fast 41 der insgesamt 42 irakischen Divisionen im Kriegsgebiet aufgerieben, auch mindestens vier der insgesamt fünf Divisionen der Elitetruppe Republikanische Garde im Südirak seien außer Gefecht gesetzt worden. Am Donnerstag dann ließen die Alliierten die irakischen Verbände mit ihren Waffen nach Norden abziehen.
Während das Ausmaß der Opfer im Irak kaum abzuschätzen ist, man spricht von bis zu hunderttausend Toten und Verletzten, meldeten die Alliierten am Donnerstag, die Gesamtzahl ihrer Gefallenen im Krieg betrage 126, darunter seien 79 US- Amerikaner. 42 Soldaten, ebenfalls zumeist Amerikaner, starben vor Beginn der Bodenoffensive, meist bei Unglücksfällen oder durch Feuer aus eigenen Flugzeugen. 56 alliierte Soldaten gelten als vermißt; 13 Soldaten gerieten in irakische Gefangenschaft. Mindestens achtzigtausendwurden seit Beginn der Bodenoffensive gefangengenommen.
Auch nach Eintreten der Feuerpause im Golfkrieg waren sich die Militärexperten der Alliierten nicht einig über die Frage, aus welchem Grund die irakischen Streitkräfte keine chemischen Waffen eingesetzt haben. General Norman Schwarzkopf, Oberkommandierender der alliierten Streitkräfte, nennt als Hauptgrund die frühzeitige und weitgehende Zerstörung der irakischen Artillerie und die Ausschaltung der Luftwaffe.
Ein weiterer wichtiger Faktor war nach Meinung von Experten die Schnelligkeit, mit der die Alliierten die irakischen Verteidigungslinien durchbrachen und die dort in Stellung gebrachten Geschütze überrannten, bevor sie eingesetzt werden konnten. In mindestens zwei Bunkern in Kuwait sollen Chemiewaffen gefunden worden sein, und die irakischen Feldkommandeure hatten bereits seit Mitte Januar die Erlaubnis, sie einzusetzen.
Eine Rolle spielte auch das Wetter: Es fiel heftiger Regen, der die Chemikalien schnell neutralisiert hätte, und die Winde hätten eventuell verschossenes Giftgas in Richtung auf die Iraker getrieben.
Ein psychologischer Faktor für den Einsatzverzicht könnten die zahllosen Flugblätter und Lautsprecherdurchsagen gewesen sein, mit denen die Alliierten die irakischen Kommandeure warnten, daß sie für einen Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich gemacht würden.
Dhahran/Riad/Washington (dpa/ap/wps)
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