: Das Recht, schnell zu sterben
Wie können Patienten bestimmen, wann lebenserhaltende Apparate abgeschaltet werden sollen? Gericht mahnte Politik zur Klärung. Jetzt setzt das Bundesjustizministerium eine Kommission ein
von CHRISTIAN RATH
Schneller als erwartet hat das Bundesjustizministerium reagiert. Im April hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die Politik aufgefordert, Patientenverfügungen neu zu regeln. Nun, drei Monate später richtet Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) eine Kommission zu diesem Thema unter Leitung des ehemaligen BGH-Richters Klaus Kutzer ein.
In einer Patientenverfügung kann jeder erklären, wie er im Fall einer schweren Krankheit behandelt (oder nicht behandelt) werden will. Dies ist vor allem relevant, wenn der Kranke im Koma liegt und keinen Willen mehr äußern kann. Meist beinhalten solche Verfügungen den Wunsch, dass das Leben nicht künstlich verlängert werden soll.
In einem Grundsatzurteil vom April erkannte der Bundesgerichtshof solche bereits millionenfach erstellten Verfügungen zwar im Prinzip an, ihre praktische Bedeutung schränkte er aber gleich auf zweierlei Weise ein. So sei der vorab geäußerte Wunsch des Patienten, die Apparate abzuschalten, nur dann relevant, wenn die Krankheit bereits einen „irreversiblen tödlichen Verlauf“ genommen hat. Gerade Wachkoma-Patienten werden von Ärzten aber in der Regel nicht als „Sterbende“ definiert. Aber auch in den Fällen, bei denen die Patientenverfügung umgesetzt werden darf, verlangt der BGH neben der Entscheidung von Arzt und Betreuer noch eine Prüfung durch das Vormundschaftsgericht.
Erst jüngst kritisierte der designierte Kommissionsvorsitzende Klaus Kutzer das Urteil seiner ehemaligen Kollegen in einem Interview mit der Zeitschrift für Rechtspolitik. Patientenrechte seien nicht gestärkt, sondern geschmälert worden, das Urteil sei von „überzogenem staatspaternalistischem Misstrauen“ geprägt, so Kutzer. Wenn die Bürger nicht darauf vertrauen könnten, dass ihre Patientenverfügungen beachtet werden, dann stärke dies nur den Ruf nach Legalisierung der Sterbehilfe.
Es ist also durchaus zu erwarten, dass die Kutzer-Kommission dem Gesetzgeber am Ende auch Vorschläge zur gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung machen wird. Zunächst ist ihr Auftrag allerdings enger. „Da es derzeit sehr viele verschiedene Patientenverfügungen gibt, soll die Kommission eine Musterverfügung ausarbeiten und diese durch Erläuterungen für Ärzte und andere Beteiligte ergänzen“, so eine Sprecherin von Zypries.
Es sei der AG aber nicht verboten, das BGH-Urteil zu analysieren. „Wenn die Arbeitsgruppe zum Schluss kommt, dass der Gesetzgeber hier aktiv werden soll, dann wäre das allerdings ein neues Thema“, so das Ministerium. Die Kommission wird derzeit zusammengestellt und soll Anfang September mit ihrer Arbeit beginnen.
Ihre Beteiligung an der Kommission forderte gestern die Deutsche Hospizstiftung, die bereits seit langem gesetzliche Regelungen für Patientenverfügungen anmahnt. Eugen Brysch, der Vorsitzende der Stiftung, fordert: „Die Kommission darf nicht über die Köpfe von Schwerstkranken und Sterbenden hinweg entscheiden.“