: Das Provinzielle macht den Meister
Erneut ist der VfB Friedrichshafen deutscher Volleyballmeister geworden und freut sich über die kostenlose Werbung für die Bodenseestadt. Der SCC Berlin hatte beim 0:3 in der Bodensee-Sporthalle nichts zu melden und sieht angesichts auslaufender Verträge einer ungewissen Zukunft entgegen
Jahr für Jahr ist dies eine der schönsten Amtshandlungen, die Josef Büchelmeier vornimmt. Der Oberbürgermeister von Friedrichshafen am Bodensee gratuliert dem Meistertrainer Stelian Moculescu. Das sieht dann so aus, dass Büchelmeier gar nicht genug davon bekommen kann, auf Moculescus Schulter zu klopfen. Und der bereits mit Sekt geduschte Trainer genießt es.
Die freundschaftliche Schulterklopferei im Vip-Raum der Bodensee-Sporthalle sagt viel über die Situation in Friedrichshafen aus: Die Stadt steht hinter dem Verein, ja sie definiert sich gar über die erfolgreichen Volleyballer, die soeben den SCC Berlin mit 3:0 (25:20, 25:19, 25:23) besiegt haben und damit zum fünften Mal in Folge die deutsche Meisterschaft gewonnen haben.
Und genau das unterscheidet den VfB Friedrichshafen vom Rest der Liga. Mal angenommen, der SCC Berlin hätte den Titel gewonnen – Klaus Wowereit würde wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen, dem Trainer Mirko Culic glaubhaft zu versichern, wie viel er damit für das Image der Stadt getan hat.
Anders in Friedrichshafen: Die Stadt profitiert von dem Klub, und der Klub profitiert von der Stadt. „Eine bessere Werbung kann man sich gar nicht wünschen“, sagt Büchelmeier und führt voller Stolz ein Beispiel dafür an: Bei der Fernsehshow „Wer wird Millionär“ habe eine Frage gelautet: Welche dieser vier Städte liegt nicht an der Nordsee? Der Kandidat lag mit Friedrichshafen richtig und hat zur Freude von Büchelmeier hinzugefügt: „Friedrichshafen ist am Bodensee. Das weiß ich, weil das Volleyballteam von dort immer deutscher Meister wird.“ Moculescu strahlt und sagt: „Das haben 13 Millionen Menschen gesehen – so viele Hochglanzprospekte kann die Stadt doch gar nicht drucken.“
Es ist das klein wenig Provinzielle in Friedrichshafen, von dem die Volleyballer profitieren. Sie sind die Sportstars der Stadt – die zweiterfolgreichste Mannschaft ist das Badminton-Team, das deutscher Vizemeister ist. Stelian Moculescu ist jedoch fest davon überzeugt, dass jede Mannschaft – unabhängig davon, wie groß die Stadt ist – so viel Erfolg haben kann. „Es kommt nur auf die Leute an.“
Der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV), Werner von Moltke, führt den langjährigen Erfolg vor allem auf die Mischung zurück: „Es gibt einen engagierten Trainer, eine engagierte Stadt, viele Sponsoren, und die Zuschauer sind begeistert.“ Und deshalb, so beteuert der DVV-Präsident, werde er sich dafür einsetzen, internationale Spiele nach Friedrichshafen zu holen – sobald die Sache mit der Messehalle geklärt ist. Aus der Bodensee-Sporthalle auszuziehen, um statt vor 2.000 vor 4.000 Zuschauern zu spielen, ist das große Ziel Moculescus. Liveübertragungen von den Champions-League-Begegnungen, Länderspiele – vor allem in Hinblick auf die in Deutschland stattfindende Europameisterschaft der Männer 2003 –, der Trainer hat genaue Vorstellungen, was sich in Zukunft ändern soll.
Mirko Culic, der Trainer des SCC Berlin, kann bei Moculescus Ausführungen einpacken. Zu keinem Zeitpunkt während des Spiels hat er geglaubt, dass seine Mannschaft gewinnen könnte. „Ich bin ja schon glücklich, dass wir über drei Spiele so gut mithalten konnten“, sagt Culic. Und ganz im Gegensatz zu Friedrichshafen hat der SCC Berlin nicht einmal Pläne für die nächste Saison. „Bei uns laufen jetzt alle Verträge aus“, sagt der Berliner Nationalspieler Frank Dehne, „ich habe deshalb keine Ahnung, wie es weitergeht.“
Es besteht weiterhin die Gefahr, dass sich die Kluft zwischen Friedrichshafen und dem Rest vergrößert. Vor allem in seiner Funktion als Bundestrainer liegt das jedoch nicht im Interesse Moculescus. So hofft er, dass Mirko Culic in Berlin bleibt, „denn er ist sehr wichtig für den deutschen Volleyball“. Und Zeit, um Meistertitel zu holen, habe dieser noch genug. LEONA WILCKE
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