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„Das Projekt“ mit August Stramm

Ein Soldat im frontverdreckten Militärmantel (Frank Maaser) hockt am Boden und stammelt unter Tränen ein Gemisch aus Schießbefehlen und Wahnvorstellungen. Um ihn herum spaziert ein gepflegt gekleideter Herr (Oliver Hermann), der die Berge und Täler der sehnsuchtsvollen Erwartung auf ein Rendezvous durchschreitet. Beide sind August Stramm, der Postinspektor des Kaiserreichs, der ab 1902 expressionistische Dramen und Gedichte schrieb. Abwechselnd sprechen sie die radikal zerkleinerten Satzfetzen der Strammschen Sprache, so daß ein rhythmischer Fluß entsteht, in dem sich beide nur scheinbar gegensätzlichen Geschichten vermengen.

Mal als Zwischenspiel, mal als Provokation, mal als Untermalung spielt Uwe Schade zu den emphatischen Vorträgen kurze Eigenkompositionen für Cello, die sich wunderbar in die karge Atmosphäre des Logensaals der Kammerspiele fügen, wo die szenische Lesung von Das Projekt (heute 21 Uhr) noch einmal zu sehen ist.

Regisseur Jens Paarmann hat den vor Körperlichkeit und verstellten Leidenschaften strotzenden Gedicht-Salven mit dieser Vortragsform eine spannende Perspektive gegeben. Die Vielgesichtigkeit des Expressionisten Stramm überlagert sich auf packende Weise. tlb

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