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Das PortraitDer Vermittler

■ George Mitchell

Was treibt einen ehemaligen US-Senator kurz vor dem Pensionsalter dazu, sich als Vermittler zwischen den nordirischen Bevölkerungsgruppen zur Verfügung zu stellen? Sicher, er ist mit den Clintons befreundet, und eine friedliche Lösung in Nordirland würde Bill Clinton im Herbst eine Menge Wählerstimmen der US-irischen Lobby einbringen. Aber man sagt Mitchell auch nach, eine ehrliche Haut zu sein, und selbst die nordirischen Protestanten hatten bislang nur Lob für ihn übrig.

Erst als man ihm nun den Vorsitz der Allparteiengespräche übertrug, regte sich bei den Unionisten Widerstand, bis Mitchell schließlich der Kragen platzte: Als ihn die Unionisten wieder mal als „irisch-amerikanischen Katholiken“ bezeichneten, was durchaus als Beleidigung gemeint war, erklärte er ihnen aufgebracht, er sei libanesischer Maronit. Seine Mutter, Mintaha Sahd, war 1920 nach Maine ausgewandert und heiratete George Mitchell Senior, der als vierjähriger Waise von libanesischen Auswanderern adoptiert worden war.

Mitchell kam 1934 zur Welt und wuchs in den Slums von Bangor im Staat Maine auf. Sein Vater war Portier im Colby College und brachte dem kleinen George die ausgemusterten Zeitungen und Zeitschriften mit nach Hause. In den Ferien jobbte Mitchell als Kellner bei einer studentischen Verbindung, um kostenlose Mahlzeiten zu bekommen, und als Pedell, um kostenlosen Einzelunterricht zu erhalten, worauf er heute noch stolz in seinen Reden verweist. Nach dem College finanzierte er sein Jura- Abendstudium als Gutachter einer Versicherung.

Mitchells politischer Mentor, Senator Ed Muskie, holte ihn 1962 in sein Team. 1972 gab es für beide einen Rückschlag: Muskie unterlag bei der Vorwahl der Demokraten, und Mitchell verlor die Wahl zum Vorsitzenden des Nationalausschusses der Demokraten. Er beschloß, die Politik aufzugeben, heiratete seine frühere Tennislehrerin, die heute 37jährige Heather, und übernahm Direktorenposten bei Disney, Xerox und Federal Express.

Doch 1980 kam dann die Teheraner Geiselkrise. Außenminister Cyrus Vance trat zurück, Muskie ersetzte ihn, und Mitchell fand sich plötzlich auf Muskies Senatorenposten wieder. 1988 wurde er Mehrheitsführer im Senat. Sollte er bei seiner nordirischen Mission Erfolg haben, wäre er Favorit für den Posten des Außenministers. Ralf Sotscheck

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