■ Das Portrait: Diethelm Gohl
Foto Nr. 11
Foto: taz-Archiv
Als Heinrich Böll im Herbst 1983 im Bonner Hofgarten den 300.000 DemonstrantInnen gegen die atomare Nachrüstung zurief: „Auch in der CDU gibt es Gegner der Nachrüstung“, erntete er ungläubiges Staunen und vereinzelte Pfiffe. Dann aber trat Diethelm Gohl, CDU-Vorstandsmitglied in Warendorf und Bundesvorsitzender der „Christlichen Demokraten für Schritte zur Abrüstung (CDSA)“, ans Mikrophon. Gohl appellierte direkt an seinen Parteifreund Helmut Kohl, auf Pershing II und Cruise-Missiles zu verzichten. Wer „genug Selbstvertrauen“ habe, brauche keine Atomraketen zu seiner Sicherheit. Der nach seinem Gewissen lebende Katholik forderte die regierenden Christen in Bonn auf, im Sinne der Bergpredigt den „Mut zum ersten Schritt“ zu haben, der „uns und unsere Nachbarn auf den Weg der Sicherheit zurückführen kann“.
Diethelm Gohl ist am vergangenen Wochenende gestorben. Bis zum Schluß blieb der 67jährige in der CDU. Als ich 1988 nach 26 Mitgliedsjahren aus der Partei austrat, sagte er mir, daß auch er an Austritt denke. Aber er hielt es dennoch bis zu seinem Lebensende für sinnvoller, die Partei von innen her verändern zu wollen.
Die CDU hat ihm viel zu verdanken, aber nur wenig gedankt. Er gehörte zur Minderheit derer, für die die Bergpredigt kein Heimatroman, sondern politischer Auftrag ist. Er nahm das hohe C im Parteinamen ernst. Als Christ wollte er weder Atomraketen noch Atomkraftwerke verantworten. Nach Tschernobyl war Diethelm Gohl Mitbegründer des „Bundesverbandes der Christlichen Demokraten gegen Atomkraft (CDAK)“.
1988 stellte der geschickte Organisator die erste atomkritische Demonstration aus den Reihen der CDU/CSU auf die Beine. Rund 300 Unionsmitglieder demonstrierten in Kalkar vor dem Schnellen Brüter gegen den atomaren Größenwahn.
Schon stark von seiner Krebserkrankung gezeichnet, organisierte Diethelm Gohl zusammen mit seiner Frau 1991 Flugblattaktionen und Mahnwachen gegen den Golfkrieg. „Das sind wir auch unseren vier Kindern schuldig“, meinten die beiden. Diethelm Gohl hat beispielhaft vorgelebt, daß Frieden und Ökologie keine linken oder rechten Themen sind, sondern unser aller Auftrag. Franz Alt
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