■ Das Portrait: Radovan Karadžić
hier Foto Nr. 14
Foto: Reuter
„Sollten wir noch keine Atomwaffen besitzen“, so prahlte kürzlich der Radovan Karadžić, „dann wäre es für uns auch nicht schwer, uns Nuklearwaffen zu besorgen.“ Um Sprüche nie verlegen, ist der Führer der bosnischen Serben zur Zeit der jugoslawische Medienstar schlechthin. Kein Tag ohne ein Karadžić- Interview in der Belgrader Presse, kaum ein westlicher Reporter, der den 47jährigen Psychiater nicht vor das Mikrophon bittet.
Der Bauernsohn aus Montenegro, der erst als Student nach Sarajevo kam, fühlte sich in der multikulturellen Großstadt stets als Fremder. Seinen abgrundtiefen Haß auf die „herrschenden muslimanischen Familien“ artikulierte er bereits während seiner Studienzeit in selbstverlegten Gedichtbändchen. Seine Grundthese: Die Muslimanen seien eigentlich ethnische Serben, die während der jahrhundertelangen türkischen Fremdherrschaft den islamischen Glauben angenommen hätten. Karadžićs heutige Schlußfolgerung: „Es gibt kein moslemisches Volk.“ Und: Da es dieses Volk nicht gibt, darf man ihm auch das Land wegnehmen.
Obwohl die Kriegsverbrechen von Karadžić, selbst seine Kommando- und Einsatzbefehle, von unzähligen internationalen Organisationen dokumentiert wurden, obwohl es ein offenes Geheimnis ist, daß der Serbenführer seine Landsleute nach jedem Waffenstillstand und Friedensabkommen weiter in den Krieg hetzt, gilt er nicht wenigen EG- und UNO-Diplomaten in Genf weiterhin als seriöser Verhandlungspartner, dessen Friedensabsichten man ernst nehmen müsse.
Ein Image, das der Serbenführer weiter zu verbessern sucht. So gelang es ihm, die Debatte, die das „Parlament“ der selbsternannten serbischen Republik in Bosnien in der letzten Woche über den Genfer Friedensplan führte, zu einem Medienereignis zu machen. Das von Karadžić gewünschte Ergebnis vermeldeten die internationalen Presseagenturen als überraschenden Erfolg: Erst nach langer Überzeugungsarbeit sei es dem Serbenführer gelungen, die Abgeordneten davon zu überzeugen, daß auch die Serben von ihren Forderungen Abstriche machen müßten. Die Belgrader Zeitung Borba stellte das Geschehen dagegen ganz anders dar: Hinter den für die Presse verschlossenen Türen des Sitzungssaales hätte gar keine Abstimmung stattgefunden. Karl Gersuny
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