■ Das Portrait: Irene Maria Sturm
Als Irene Maria Sturm im Sommer 1988 „mit dem Gesetz in Konflikt“ geriet, steuerte sie ihr rotes Kleinmobil durch das oberpfälzische Städtchen Neunburg vorm Wald. Die bayerische Staatsregierung ließ dort widerwillig 881.000 Einsprüche gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf erörtern – eine Veranstaltung, die sich rasch zur letzten großen Anti- WAA-Aufführung vor der überstürzten Flucht der Atomwirtschaft vom Baugelände im Taxölderner Forst entwickelte.
An diesem Morgen hielt die Staatsgewalt die Kelle raus, beschlagnahmte das Fahrzeug der ansonsten nur schwer zu stoppenden AKW- Gegnerin und strengte ein Verfahren gegen sie an. Die Mutter zweier Töchter habe zur Gewalt aufgerufen, lautete der gewichtige Vorwurf. Als Indiz galt den Staatsschützern jenes Papperl am Heck des Wagens, auf dem eine Polizei-Wanne schildkrötenähnlich auf dem Rücken liegend zu sehen ist und ein durch entsprechende Haartracht als „Anarcho“ ausgewiesener Zwillenfreak sich grinsend davonmacht. Aufschrift: „Widerstand braucht Phantasie“. Irene Sturm ist ihrem Wahlspruch treu geblieben. Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem die beteiligten Beamten ausgesagt hatten, sie seien gezielt auf die Vorsitzende der Oberpfälzer Bürgerinitiativen angesetzt worden. Man wollte die Seele des WAA-Widerstands treffen.
Geholfen hat es nichts. Ein Jahr später war die WAA tot, und selbst jenes Blatt, hinter dem sich – angeblich – die klugen Köpfe dieser Republik verbergen, teilte zerknittert mit, das habe wohl auch etwas mit den unfreundlichen Reaktionen vor Ort zu tun. Die BI-Mitbegründerin, die die Aktivitäten gegen das Milliardenprojekt seit 1981 kontinuierlich organisiert hatte, steckte den Verlust ihres Protestgegenstandes locker weg. Keine Spur von zwanghafter Fixierung auf ein Projekt, keine Spur von St. Florian. Irene Sturm, die von sich selbst sagt, sie sei „von Beruf Hausfrau und Mutter“, machte weiter, wo sie einmal erfolgreich war: an der Basis. „Unterstützung überall“, lautete fortan die Parole, die sie zwischen Hanau und Salzgitter, La Hague und Gorleben pendeln ließ. Als Sprecherin des Bündnisses „Schutz vor MOX“ traf sie jetzt bei der Gundremmingen-Erörterung erneut auf die alten Bekannten von der Münchner Staatsregierung. gero
Foto: G. Rosenkranz
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