piwik no script img

■ Das PortraitScheich Al-Alami

Am Samstag verstarb der führende islamische Würdenträger in Jerusalem, Scheich Saad Ad-Din Al-Alami, im Alter von 85 Jahren an Herzversagen. Als Mufti von Jerusalem bekleidete er von 1952 bis zu seinem Tod dieses wichtigste geistliche Amt, das ihm höchste gutachterliche Kompetenz in religiösen Fragen verlieh.

Seit dem Sechs-Tage- Krieg 1967 stand er außerdem an der Spitze des Islamischen Obersten Rats, der für die Verwaltung islamischer Heiligtümer, des Waqf und anderer religiöser Angelegenheiten der Moslems in Ostjerusalem und den übrigen israelisch besetzten Gebieten verantwortlich ist. Während der letzten Jahren war er zudem Oberster Richter der Scharia- Gerichte. Gestern wurde er in Jerusalem, der Stadt seiner Geburt, auf dem moslemischen Friedhof an der Altstadtmauer beigesetzt.

Es versteht sich von selbst, daß Scheich Al-Alami in seinen hohen Ämtern häufig in Konflikt mit den israelischen Behörden geriet. Diese warfen ihm denn auch wiederholt nicht nur eine anti-israelische, sondern auch eine judenfeindliche Haltung vor. Gleichzeitig war der israelischen Regierung jedoch klar, daß der Mufti in enger Verbindung zur jordanischen Führung in Amman stand, die in Israel als relativ „wohlwollend und realistisch-kooperativ“ eingestuft wird.

Foto Nr. 4

Foto: Reuter

Scheich Al-Alami hat an der Kairoer Al-Azhar-Universität studiert. Unter der jordanischen Herrschaft in der Westbank wurde er später Scharia-Richter. In der Funktion des Mufti und Vorsitzenden des Islamischen Obersten Rates, dessen Funktionen unter der israelischen Besetzung auch politischen Charakter annahmen, war Scheich Al- Alami oft vor schwierige Probleme gestellt: das betrifft vor allem die Verteidigung des Haram al-Scharif, des dritthöchsten islamischen Heiligtums, gegen Angriffe jüdisch- religiöser Fundamentalisten und expansionistischer Nationalisten. Diese versuchten in den letzten Jahrzehnten, die palästinensische, zum großen Teil moslemische, Bevölkerung auch aus der Ostjerusalemer Altstadt zu vertreiben. Sie wollen die islamischen Heiligtümer am Haram al-Scharif durch den „dritten jüdischen Tempel“ ersetzen, um so die israelische Herrschaft über Ostjerusalem zu vervollständigen. Scheich Al- Alamis Nachfolger im schwierigen Amt des Mufti von Jerusalem wird wohl sehr bald in Amman ernannt. Amos Wollin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen