■ Das Portrait: Ulrich Klug
Zu den Vertretern der „herrschenden Lehre“ (abgekürzt „h.L.“) hat er auf seinen vielen juristischen Fachgebieten selten gehört, der Rechtsprofessor Ulrich Klug. Aber er war auch kein eifernder Außenseiter, eher ein großzügiger rheinischer Bourgeois, aus Wuppertal gebürtig, dem Pietistennest, aus dessen Fabrikantenmilieu noch mancher andere Nonkonformist stammt. Ulrich Klug, der seine Ausbildung noch unter dem Nationalsozialismus erhalten hatte, war einer der wenigen Rechtsgelehrten, bei denen der Wechsel der Weltbilder – vom NS-Führerstaat zu den christlich-abendländischen Werten – nicht so reibungslos klappte.
Er wollte das deutsche Rechtssystem „humanisieren“ und „demokratisieren“ – vor allem das Strafrecht und den Strafvollzug. Zusammen mit Jürgen Baumann war er in den 60er Jahren die treibende Kraft bei der Ausarbeitung des Alternativentwurfs zum Strafgesetzbuch, der zum ersten Mal in der deutschen Rechtsgeschichte konsequent mit dem Vergeltungsdenken brach. 1968, am Vorabend der sozial-liberalen Koalition, sah Klug seinen Weizen blühen. Später Seiteneinsteiger bei Foto: taz-Archiv
der FDP, wurde er zuerst Staatssekretär im Justizministerium von NRW und dann, von 1973 bis 1977, Justizsenator in Hamburg. Aber so konkret, wie er gehofft hatte, war der Slogan „Mehr Demokratie wagen“ nicht gemeint gewesen. Nur wenige seiner Vorschläge – von der Abschaffung der lebenslänglichen Freiheitsstrafe bis zur Beerdigung des Paragraphen 218 – gingen in die große Strafrechtsreform ein.
Undank ist der Welt Lohn. Ein Massenausbruch aus der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel veranlaßte den entnervten Senator zum Rücktritt. In den späten 70ern sah man ihn, jetzt Aktivist der Humanistischen Union, an der Seite radikaler Linker, die gegen die „Vereinheitlichung“ des Polizeirechts und die Legalisierung des „Todesschusses“ mobilisierten – ein sanfter Radikaldemokrat unter den Enragees. Noch in den 80ern war Ulrich Klug zur Stelle, wenn es um die Verteidigung der Grundrechte ging oder um den Kampf gegen die Neofaschisten. So in Köln, wo er furchtlos in einer Versammlung der Jungnazis auftrat. Als Einzelkämpfer, versteht sich, denn die FDP hatte Klug nach der „Wende“ von 1982 verlassen. Ulrich Klug ist am vergangenen Freitag im Alter von 79 Jahren gestorben. C.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen