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■ Das PortraitAlexander von Stahl

Mit seiner eigentümlichen Mischung aus maßgeschneiderter Eitelkeit und arroganter Verklemmtheit wirkt er eher wie ein französischer oder englischer Spitzenbürokrat als der oberste deutsche Staatsanwalt, der er ist. Dank seines FDP-Parteibuches wurde der 1938 in Berlin geborene Aristokrat 1975 zum Senatsdirektor im Westberliner Justizsenat berufen. Er ging nur sehr ungern in die Gefängnisse, ließ aber dafür erstmalig in Deutschland Gefangene in einem Hochsicherheitstrakt halten.

Im Frauenausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses empörte von Stahl sich über das „unwahrscheinlich harte Urteil“ gegen einen Mann, der mehrere Frauen vergewaltigt hatte, mit den Worten: „Es waren wohl acht Stück.“

Gleichwohl überlebte er als Staatssekretär in vierzehn Jahren fünf Senatoren. Als er nach der Abwahl des CDU- FDP-Senates im Januar 1989 seines Amtes verlustig ging, versuchte er sich nicht sonderlich erfolgreich in der Kanzlei eines Parteifreundes als Rechtsanwalt. Nachdem der alkoholkranke Generalbundesanwalt Kurt Rebmann endlich in Rente ging, setzte Graf Lambsdorff im März 1990 seinen schlecht versorgten Parteifreund von Stahl als Nachfolger durch. Schon damals merkten Kritiker an, daß von Stahl weder als Staatsanwalt Erfahrungen in der Strafverfolgung gesammelt hat noch über einen nennenswerten Ruf als Jurist verfügt.

Der überforderte Generalbundesanwalt, dessen Rücktritt überfällig ist Foto: Darchinger

Seine rechte Gesinnung demonstrierte der oberste Strafverfolger bei den ausländerfeindlichen Anschlägen. Erst nach massiver öffentlicher Kritik begann er, Ermittlungsverfahren gegen rechtsradikale Brandstifter und Mörder an sich zu ziehen.

Noch im Februar erklärte er, daß die RAF eine größere Gefahr darstelle als die Rechtsradikalen. Schon vor der Exekution in Bad Kleinen torpedierte von Stahl systematisch die „Kinkel-Initiative“ – den Versuch, in dem Krieg zwischen RAF und Staat zu einer politischen Lösung zu kommen.

Alexander von Stahl ist leidenschaftlicher Segler; nach seinen unsäglichen Auftritten der letzten Tage wären ihm der Ruhestand und eine Weltumsegelung wirklich zu gönnen. Michael Sontheimer

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