piwik no script img

■ Das PortraitOlive Parsons

„Der Kommunismus ist zusammengebrochen, und ,Collets‘ gibt es auch nicht mehr“, klagt Olive Parsons. „Was soll ich jetzt bloß machen?“ Seit 70 Jahren ist die 101jährige Engländerin fester Bestandteil der radikalen Szene Großbritanniens. Vor 59 Jahren war sie Mitbegründerin von „Collets“, dem legendären linken Buchladen in der Londoner Charing Cross Road. „Collets“ ist seit einer Woche pleite.

Olive Parsons stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie. Als sie 1910 die Universität Cambridge besuchte, betrug der Frauenanteil dort nicht mal zehn Prozent. 1916 machte sie an der renommierten London School of Economics ihr Examen als Sozialwissenschaftlerin und arbeitete danach im Forschungsbereich der Fabian Society, einer Organisation der Labour Party. Dort traf sie Douglas Parsons, einen jungen Kommunisten, den sie zum Entsetzen ihrer Familie heiratete. Zunächst kümmerte sie sich jedoch um ihre drei Kinder. „Ich war der Meinung, daß sie Vorrang hatten“, sagt Parsons. „Deshalb bin ich erst 1937 in die Kommunistische Partei eingetreten.“ Danach arbeitete sie nebenbei als Chauffeurin für Harry Pollitt, den Generalsekretär der Partei. Hauptberuflich war sie jedoch Geschäftsführerin von „Collets“. Der Buchladen war 1934 von Eva Collet Reckitt, einer reichen Freundin von Olive Parsons, gekauft worden. „Collets“ war von Anfang an mehr als nur ein Buchladen, es war ein Treffpunkt der Linken. Linke BuchhändlerinFoto: Peter Lennon

Nach dem Zweiten Weltkrieg expandierte das Unternehmen und gründete Niederlassungen in Manchester, Glasgow, Moskau, Prag und New York. Bis 1992 besuchte Olive Parsons regelmäßig die Jahreshauptversammlung des Unternehmens. „Ich fand es nicht richtig, daß sie die politische Abteilung in den Keller verlegten, aber es war wohl eine Frage des Geldes.“ Das Geld ging dennoch aus. Am 13. Juli verlangte die Gläubigerbank knapp 400.000 Pfund (cirka eine Mio. Mark) zurück. Das war der Anfang vom Ende. Ihrer Politik bleibt Olive Parsons aber treu: Als sie im März letzten Jahres ihren 100. Geburtstag feierte, gab es ein Fest mit Ehrengästen aus Politik und Literatur. Der Höhepunkt sollte die Verlesung des Telegramms der Königin sein. Olive Parsons ließ statt dessen die Glückwünsche der KP aus Moskau verlesen. Ralf Sotscheck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen