■ Das Portrait: Pina Grassi
Den Tod seiner Frau betrauert ein süditalienischer Mann mit einem schwarzen Knopf auf der rechten Hemdseite. Auf den Tod eines Mannes steht dagegen für die Frau lebenslänglich schwarze Kleidung und stumme Trauer. Als vor zwei Jahren die Mafia ihren Mann ermordete, ging Pina Grassi in hellen Hosen zum Begräbnis. Ihr Mann Libero war der erste Unternehmer Italiens, der der Mafia öffentlich das Schutzgeld verweigert hatte. Zur Beerdigung kamen zwar viele wichtige Staatsmänner, aber nur knapp über hundert Palermitaner. Pina Grassi war verletzt und wütend und verbarg das nicht. Mafiosität nennt die 64jährige die Opferhaltung gegenüber der Mafia, der Pakt mit den Erpressern, der erst erpreßbar macht.
Pina Grassi ist kein Klageweib und wollte auch nicht in ihrer Trauer verbittern. „Es ist gefährlich, in den negativen persönlichen Gefühlen zu verharren. Ich habe immer versucht weiter zu gehen.“ „Weiter“, das war bis in den Senat nach Rom, eine der beiden Abgeordnetenkammern Italiens. Die gelernte Architektin zog im April 92 als Grüne ins Parlament ein. Ihr Programm reicht vom Anti-Mafia-Kampf bis zur ökologischen Landschaftsplanung. Kandidiert hatte sie nicht in ihrer Heimatstadt Palermo, sondern in Turin – zu stolz, sich von denen wählen zu lassen, die bei der Beerdigung hinter dem Fenster standen. Jetzt sitzt sie in dem Gremium, das den Weg freigibt für Ermittlungen gegen den Ex-Ministerpräsidenten Giulio Andreotti. „Mit ihren Machenschaften haben Andreottis Statthalter Sizilien heruntergewirtschaftet und Palermo geplündert“, ereifert sich die zierliche Frau mit dem klaren Blick.
Witwe durch die Mafia und grüne Senatorin Foto: Vahland
Ihren Traumberuf Stadtplanerin hatte sie aufgegeben, um nicht teilzuhaben am Ausverkauf der Stadt. Sie engagiert sich im Lokalen, zog ihre beiden Kinder auf und übernahm das Stoffgeschäft, das sie heute noch führt. „Die Korruption“, meint die Senatorin „ist in Italien Männersache. Aber die Leute lassen sich das nicht mehr gefallen.“ Sie hat Hoffnung gefaßt in den letzten beiden Jahren, in denen in Italien ein ganzes Regime gestürzt ist. „Gerade die jungen Frauen in Sizilien beugen sich nicht mehr. Sie haben in ihren Tragödien die Kraft zur Veränderung gefunden.“ Da hat Pina Grassi in ihren hellen Hosen wohl Modell gestanden. Kia Vahland
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