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■ Das PortraitGuadalupe

Böse Zungen behaupten, sie sei eine Erfindung, ein geschickter Schachzug der Spanier, um die Macht der Konquista im alten Amerika zu festigen. Eine Behauptung, die in Mexiko niemand ernst nimmt. Schließlich ist die Jungfrau von Guadalupe die meistverehrteste Frau in ganz Lateinamerika, der Star unter den Heiligen.

Kein Bus, keine Kneipe, Kein Schuhputzstand ohne ihr Abbild. Zu ihrem morgigen Festtag werden Millionen Menschen nach Mexiko- Stadt strömen, wo auf einem Hügel im Zentrum, die Virgen am 9. Dezember 1531 zum erstenmal auftauchte. Der Indianer Juan Diego war an jenem kalten Dezembermorgen gerade auf dem Weg zur Messe, als er einer dunkelhäutigen Frau in einem goldverzierten Umhang begegnete. Rein zufällig genau an der Stelle, wo der Tempel der indianischen Göttin Tonantzin gestanden hatte. Die Frau sagte nur einen Satz: „Der Bischof soll mir zu Ehren hier eine Kapelle bauen lassen.“ Dreimal rannte der arme Bauer mit dieser Botschaft zum Bischof. Erst als er ihm auf Anraten der Frau Rosen mitbrachte, ging der Wunsch in Erfüllung. Der Tip kostete Juan seinen Umhang, denn der Blumensaft hatte das Abbild der Jungfrau in den Stoff gefärbt.

Seit 1974 hängt die „verfärbte“ Telma hinter Panzerglas in einer neuen Basilika am Fuß des Hügels. Ein automatischer Rollsteg sorgt für den staufreien Transport der Pilgerscharen, die La Morena, die Dunkle, sehen wollen. Auf dem Vorplatz stehen reihenweise Rot-Kreuz-Helfer parat, um denen, die die letzten Kilometer auf Knien zurücklegen, unter die Arme greifen zu können. Mitten im Gewühl stampfen Hunderte von Conchero-Tänzern in federgeschmückten, traditionellen Trachten zum Rhythmus der Trommeln.

Heilige Jungfrau Foto: Cordelia Dilb

Mit ihren Rosen hat Guadalupe mehr erreicht als die Spanier mit Feuer und Schwert. Der Glaube an La Morena, die Frau, die Überschwemmungen und Epedemien stoppte, die zur Königin gekrönt und in den Rang eines Generals erhoben wurde, stützt den brüchigen sozialen Frieden in Mexiko. Kein Wunder, daß ihr selbst das angebliche Attentat von Anarchisten nichts anhaben konnte. Die Bombe zerfetzte die Christusstatue zu ihren Füßen, ihr Bildnis jedoch blieb unversehrt. Nur böse Zungen behaupten, daß sei eine Erfindung. Silvana Richter

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