■ Das Portrait: Kakuei Tanaka
Jetzt, wo er tot ist, läßt sich endlich mit Gewißheit sagen: Japan wird nicht mehr von Kakuei Tanaka regiert. Der 75jährige „Schattenshogun“, Premierminister nur von 1972 bis 1974, erlag gestern in einem Tokioter Krankenhaus einer Lungenentzündung. Es dauerte keine vier Stunden, bis sich die gesamte Elite der Nation, angeführt von Premierminister Morihiro Hosokawa, der sein Lehrling war, zu Kondolenzwünschen in seinem Familienhaus eingefunden hatte. Einstimmig feierten die japanischen Politiker und die ihnen treuen Medien gestern in Kakuei Tanaka den „wichtigsten Nachkriegspolitiker“ der Nation. Dabei hätte das japanische Volk ein Freudenfest geben müssen.
Denn Kakuei Tanaka, schon 1976 wegen Bestechlichkeit verhaftet, gehörte einer Verbrecherklasse an, die außer dem Tod keinen ernsthaften Gegner hat. Noch als er 1985 nach einem Schlaganfall die Sprache und wahrscheinlich – es blieb ein Familiengeheimnis – auch den Verstand verlor, glaubte niemand an sein Ende. Es gehe ihm gut, verlautete seither regelmäßig aus der Familie. Zuletzt besuchte Tanaka im Herbst 1992 den chinesischen Parteichef Jiang Zemin in Peking, um das 20jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und China zu feiern, die Tanaka einst selbst per Handschlag mit Chou Enlai besiegelt hatte.
Japans Schattenshogun Foto: Reuter
Seit 1947 hatten ihn die Wähler seiner Heimatstadt Niigata brav ins Parlament gewählt. Dafür bekam Niigata einen Flughafen, den Anschluß ans Schnellzugnetz und eine Autobahn. Doch Tanaka regierte längst das ganze Land. Zwischen 1965 und 1985 war in Japan niemand mächtiger als er. Nicht nur die sonst so stolzen Wirtschaftbosse fraßen dem Skandalpolitiker wie zahme Lämmer aus der Hand.
Sein Regierungsprinzip: der Industrie erst drohen und dann das Geld abknöpfen; das Geld daraufhin an willfährige Politiker verteilen, die damit ihre Wähler ködern. Die „Tanaka-Armee“ nannte sich seine Parlamentsfraktion, die in wesentlichen Teilen bis heute zusammenhält. Mit Recht und Gesetz hatte sein Regime nichts zu tun, weshalb Tanaka als Premierminister rasch abdanken mußte und von zwei Gerichten zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Die saß er selbstverständlich nie ab. Georg Blume
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