■ Das Portrait: Derek Jarman
Er wäre gerne zur Berlinale gekommen – so wie in den Jahren zuvor, als sich Derek Jarman 1988 mit Lesben und Schwulen vor dem Berliner Zoo-Palast gegen die diskriminierende „Clause 28“-Gesetzgebung der Thatcher-Regierung solidarisierte. Oder 1987, als er mit „Caravaggio“ den „Silbernen Bären“ gewann. Am Sonntag nun ist der britische Filmemacher im Alter von 52 Jahren an den Folgen seiner Immunschwäche gestorben.
Schon 1986 war Jarmans HIV-Test positiv ausgefallen, dennoch hatte er bis zuletzt gekämpft – mit dem eigenen Sterben und gegen die gesellschaftliche Verdrängung der Krankheit. Auch wenn die Beschäftigung mit Aids in seinen Filmen niemals in konkrete Bilder umgesetzt wurde, so bezeugten doch „The Last of England“, „The Garden“ oder „Edward II“ schwer und depressiv den Niedergang zwischenmenschlicher Beziehungen als ein Ausdruck der Angst vor dem Virus.
Fern aller Betroffenheit aber war Jarman zu sehr Künstler, als daß ihm Film nur als Medium der Wirklichkeit hätte dienen sollen. Von Beginn an arbeitete er in collagenhaften Überblendungen gleichberechtigt mit Super-8- und Videomaterial, unterlegte für das experimentelle Filmdebüt „In the Shadow of the Sun“ die Ödnis englischer Industrieanlagen mit einem roten Schleier oder ließ das sich liebende Jungspaar in „The Garden“ teilweise vor einer sich bewegenden Filmlandschaft im Hintergrund agieren.
Derek Jarman Foto: Petra Gall
Zuletzt kam „Blue“, ein Dialog nach Jarmans Tagebuchaufzeichnungen zu seinem kommenden Tod: 75 Minuten lang nichts als eine Erzählerstimme und die monochrom blaue Leinwand. Für den während der Aids- Behandlung fast völlig erblindeten Regisseur bedeutete dieser Film jedoch nicht die Absage ans Kino, vielmehr sollte sich der Kreis von Kunst und Kino hier schließen. Die Sätze jedoch taten weh: „I'm home with the blinds drawn“ – ein schöner Gedanke, in die eigene Blindheit hineingezeichnet. Gerade diese beinahe heitere Leichtigkeit, mit der Jarman trotz aller filmischen Düsternis auf die Welt blickte, wird von jetzt an fehlen. So wie ein anderes Bild: Auf der Berliner „Metropolis“-Ausstellung vor ein paar Jahren war er der einzige gewesen, der sich inmitten der Bilderflut freuen konnte wie ein Schuljunge. hf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen