■ Das Portrait: Swatch-Mobil
20.000 Leute würden es blind kaufen, behauptet sein Erfinder seit bereits drei Jahren. „Knallbunt oder durchsichtig“ wie die Swatch-Uhr: Das bewährte Verkaufsrezept will der Schweizer Unternehmer Nicolas Hayek auf vier Rädern recyceln. Und ausgerechnet der europäische Autokonzern, in dessen Produkten man zuletzt Swatch-Uhr- Träger vermuten würde, nähert sich nun der Idee an. Mercedes- Benz, dessen S-Klasse-Panzer zu der Lachnummer der beginnenden 90er Jahre gerieten, wagt sich an das andere Extrem. Ein leichtes, wendiges, sparsames, preisgünstiges „City- Car“ mit zwei Sitzen und großem Kofferraum, das höchstens drei Liter Bezin verbraucht, soll das Swatch-Mobil werden – wenn es denn wird.
Erst in Umrissen bekannt Zeichnung: taz
Was Erfinder Hayek bislang über das Swatch-Auto verraten hat, könnte auch aus einem Werbeprospekt für den Renault-Twingo entnommen sein. „Das Auto wird klein sein, wendig, liebenswert eigenwillig“, verriet er der Welt. Und ein Bild-Redakteur, der einen – undurchsichtigen – Prototyp testen durfte, bestätigte gestern: „Es fährt.“ Die Prototypen gibt es mit Bezin- oder Elektro- oder Hybridantrieb.
Dem Volkswagenkonzern war das Einkaufsei nach einem Jahr gemeinsamer Entwicklungsarbeit denn doch zu windig: Er kündigte, nachdem Ferdinand Piäch den Chefsessel von Carl Hahn übernommen hatte, die Zusammenarbeit mit Hayek auf. Andersherum bei Mercedes: Unter Werner Niefer hätte man Herrn Hayek sicher einen Mercedes verkauft, aber erst sein Nachfolger Helmut Werner empfing ihn auf der Vorstandsetage.
Lange aber, so munkeln die berühmten eingeweihten Kreise, habe sich Helmut Werner gewehrt, ein so kleines Auto mit einem so großen Konzernnamen zu schmücken. Das Konstrukt der Zusammenarbeit ist darum auch jetzt dergestalt, daß man es ganz im Sinne der Swatch-Philosophie, leicht, flexibel & mobil, wieder abbauen kann: Eine gemeinsame Entwicklungsgesellschaft wird gegründet. Die soll „knallbunt oder durchsichtig“ mit Inhalt füllen, bevor entschieden wird, ob ES durchs Mercedes-Händlernetz vertrieben wird.
Den Japanern, gegen die sich Mr. Swatch auch mit dem Auto ausdrücklich wendet, bleibt noch Schonzeit. Mitsubishi hat bereits einen ESR (Ecology, Science, Research) entwickelt, dessen Kombination aus Bezin- und Elektromotor während der Fahrt die Elektrobatterie auflädt. Mit 20 Litern Benzin fährt der ESR 1.000 Kilometer weit. Niemand müßte ihn blind kaufen. dri
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