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■ Das PortraitHelga Spielberger

Eigentlich zieht sie allabendlich über Politiker und ihre Machenschaften her, doch am 23. Mai wird die Magdeburger Kabarettistin Helga Spielberger für einige Momente ganz ernsthaft in die Politik eingreifen. Dann macht sie in Berlin bei den verschiedenen Wahlgängen zum neuen Bundespräsidenten ihre Kreuze hinter ihrem Kandidaten.

Von der SPD-Fraktion in Sachsen-Anhalt nominiert, wurde das Ensemblemitglied des Magdeburger Kabaretts Kugelblitze zur Wahlfrau bei der Bundesversammlung gewählt. Nicht, weil die Sozialdemokraten sie nominiert haben, will die 48jährige sich für deren Kandidaten Johannes Rau einsetzen. „Jens Reich ist für mich ein Pseudo-Kandidat, und Hildegard Hamm-Brücher halte ich für zu alt, auch wenn ich es toll fände, wenn eine Frau in dieses Amt käme.“ Die politische Erfahrung Raus ist für die parteilose Wahlfrau ausschlaggebend. Auch wenn sie als Materialistin mit dem praktizierten Christentum des Bruders Johannes nicht allzu viel anzufangen weiß.

Auf wen wird ihre Wahl fallen, wenn es gilt, die Nachfolge Weizsäckers zu bestimmen? Foto: Peter Gercke

Helga Spielberger ist stolz auf ihre parteipolitische Ungebundenheit. „Daß ich Johannes Rau bei der Bundesversammlung meine Stimme gebe, sagt noch lange nichts darüber aus, was ich bei den vielen anderen Wahlen in diesem Jahr ankreuze.“ Veränderung hält sie für notwendig, vor einer großen Koalition in Bonn graust ihr jedoch. Auch wenn eine solche Koalition ihr beruflich jede Menge Stoff verspräche.

Nicht immer war Helga Spielberger in einer solchen Distanz zur Parteienlandschaft. Früher wollte sie einmal in die SED eintreten. Wie viele andere hoffte sie, in der Einheitspartei zu Veränderungen beitragen zu können. „Ich war aber noch kein Mitglied, sondern noch immer Kandidatin, als 1968 der Einmarsch der Warschauer- Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei begann“, erinnert sie sich. Halb trat sie von ihrem Aufnahmeantrag zurück, halb wurde sie damals von den SED-Bonzen gefeuert. Den Ausschlußbescheid der DDR-Staatspartei „wegen parteifeindlichen Verhaltens“ hängte sie stolz im Rahmen in den Flur ihrer Wohnung – und da hängt er auch heute noch.

Parteifeindliches Verhalten übt sie weiterhin: Abend für Abend auf der Kabarettbühne am Breiten Weg in Magdeburg. Denn die Machtfülle der Parteien in Deutschland ist Helga Spielberger längst ein Dorn im Auge.

Eberhard Löblich

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