■ Das Portrait: Willem de Kooning
Glupschaugen, hohle Wangen, gefletschte Zähne und lustig auf die Leinwand geklatschte Körper: Willem de Kooning machte mit seinen Skulpturen und Portraits aus der Häßlichkeit keinen Hehl. Noch immer aber gelten seine zwischen 1950 und 53 gemalten „Frauen“ als sehr fleischliche Ikonen des abstrakten Expressionismus.
Der „größte Maler Amerikas“, als den ihn Kunstmarkt und Presse zum 90. Geburtstag feiern, wurde am 24.4. 1904 in Rotterdam geboren. Bevor er 1926 in die USA auswanderte, lernte de Kooning – „der König“ – wie Warhol das Malen in der Praxis und auf der Akademie. Schon als Jugendlicher hatte er sich als Gebrauchsgrafiker, Schaufensterdekorateur und Anstreicher verdingt, dazu kamen acht Jahre an der Kunstschule.
In Amerika verschwanden die alten europäischen Konventionen. Mitte der vierziger Jahre zerfiel sein bis dato traditionell figürliches Menschenbild in schnelle Bewegungen, grob zerklüftete Formen und wilde Farbgebung mit dem Spachtel. Anders als bei anderen „Heftigen“ wie Jackson Pollock, Ad Reinhardt oder Mark Rothko aber wurde sein Bruch mit der Geschichte zum raffinierten Stilmittel. Bewußt bediente sich de Kooning etwa bei Picasso, um dessen kubistisch aufgelockerte Gestalten in ungleich diffusere zu zerlegen. Gerade die Mischung aus Parodie und Zitat wurde von seinen Kollegen auf der Suche nach dem neuen Stil jedoch attackiert.
Der heftige Maler Foto: Hans Namuth
Besonders Pollock reagierte kurz angebunden: „Du weißt mehr, aber ich fühle mehr.“ Wo Pollocks Action- paintings und Tröpfelbilder mit konvulsivischen Bewegungen an der Psyche arbeiteten, beließ es de Kooning bei der lässigen Eleganz des Abstrakten. Kleine Inseln inmitten von wogenden Farbmassen, deren Rot, Blau oder Gelb nicht schön, aber effektiv zwischen „Peitschenriemen-Linien“ hervorstach.
Leben konnte er davon ebensowenig wie der Rest der damaligen Maler-Bohème. Erst 1955 setzte sich das kühle Experiment aus wilder Attitüde und souveräner Geste am Markt durch. 1974 ging seine „Frau V“ bereits für 850.000 Dollar an ein australisches Museum, im Dezember 1983 wurde sein Lebenswerk mit einer Retrospektive im New Yorker Whitney Museum of American Art gewürdigt. Ob er sich an all den Erfolg noch erinnern kann, ist fraglich: 1989 wurde de Kooning, der seit 1986 an der Alzheimerschen Krankheit leidet, von seiner Tochter Lisa entmündigt. hf
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