■ Das Portrait: Adrian Năstase
Bestechlichkeit, Veruntreuung, Amtsmißbrauch usw. gelten Besitzern staatlicher Posten in Rumänien nicht als Rücktrittsgrund, wie die Fälle mehrerer Minister zeigen. Es sei denn, die Delikte ereignen sich zu einem Zeitpunkt, da das verdächtigte Faktotum am Hofe des neokommunistischen Staatspräsidenten Ion Iliescu in Ungnade fällt. Das scheint jetzt der Fall von Adrian Năstase zu sein, dem zweiten Mann im Staate, der seiner Rolle als vielseitige Hilfskraft zusehends entschlüpft.
Der 44jährige Jurist war wie nahezu alle Regierungspolitiker vor 1989 Mitglied der rumänischen KP. Sein Fachgebiet: internationale Beziehungen. Nach dem Sturz Ceaușescus wechselte er zu Iliescus „Front der Nationalen Rettung“, mittlerweile umbenannt in „Partei der sozialen Demokratie“. Vom Berater im Außenministerium stieg er zum Außenminister auf, nach den Wahlen vom Herbst 1992 zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer. Letztes Jahr schließlich wurde er außerdem geschäftsführender Präsident der Iliescu-Partei.
Korrupt und bei Rumäniens Präsident in Ungnade gefallen. Foto: vario-press
Năstase machte nicht nur eine steile Karriere, ihm werden auch Ambitionen auf das Amt des Staatspräsidenten nachgesagt. Er ist redegewandt, bereist des öfteren die rumänischen Provinzen und liegt auf der öffentlichen Sympathieskala vor dem Staatspräsidenten. Vielleicht deshalb wartete die angesehene, zu einem Viertel unabhängige und zu drei Vierteln dem Präsidenten nahestehende Zeitung Adevărul (Die Wahrheit) unlängst mit einem Skandal auf. Demzufolge soll sich Năstase ungesetzlich mehrere Wohnungen und Villen angeeignet haben. Ohne dabei Quellen zu nennen, präsentierte die Zeitung hochoffizielle Dokumente, an die zu gelangen exzellente Verbindungen vonnöten sind.
Es heißt, die Präsidentschaft wolle ihn auf diese Weise vor seinen Ambitionen warnen. Năstases Parteikollegen sehen hinter allem eine Untat der Opposition. Er selbst schließt nicht aus, daß „politische Gegner“ ihm etwas anhaben wollen. In einem Brief an Parlament und Regierung bietet er einen eventuellen Rücktritt an.
Egal ob Năstase irgendwann entmachtet wird, wie so viele andere Iliescu-Gegenspieler – eines ist jetzt schon sicher: die Kunst der Intrige beherrscht der neobarocke Staatspräsident auf eine Weise, wie sie anderswo in Europa bereits seit mehreren Jahrhunderten aus der Mode gekommen ist. Keno Verseck
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