■ Das Portrait: Max Mannheimer
In seine Tränensäcke muß er die ganze Vergangenheit gepackt haben. Sie fallen auf in dem ausdrucksstarken Gesicht. Unermüdlich erzählt der 74jährige Schülergruppen seine Geschichte und zeigt wie nebenbei die eintätowierte Häftlingsnummer auf seinem Arm. Max Mannheimers Arbeitsplatz ist die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau – dort, wo er selbst einmal Häftling war.
Von der Rampe in Auschwitz-Birkenau erzählt er, an der er seine jüdischen Eltern, seine Geschwister und die Ehefrau zum letzten Mal sah. Max Mannheimer und ein Bruder überlebten als einzige. Daß er diese Erinnerungen immer wieder in sich wachruft, muß schmerzhaft sein – und gleichzeitig erleichternd. Als er vor acht Jahren begann, öffentlich darüber zu sprechen, mußte er oft noch weinen. „Ich konnte ohne Tablette keine Führung durchstehen, mittlerweile kann ich den Gang durch die Gaskammer ertragen.“
„Das Große an Max Mannheimer ist, daß er niemals einen pauschalen Haß auf Deutsche vertreten hat und immer wieder feststellt, daß Haß niemals zur Verständigung zwischen Völkern beitragen kann“, heißt es in der Laudatio, die vergangenen Samstag auf Max Mannheimer in München gehalten wurde. Er erhielt den Waldemar-von-Knoeringen-Preis der SPD-nahen Münchner Georg-von-Vollmar-Akademie. „Für mich war es eine Schande, daß Max Mannheimer mit dem französischen Orden eines Ritters der Ehrenlegion geehrt worden ist und sein Leben bisher keine deutsche Auszeichnung gefunden hat“, bemerkte der Laudator.
Max Mannheimer leistet Basisarbeit in der Gedenkstätte, in Schulen und als Vorsitzender der Dachauer Lagergemeinschaft: Als Zeitzeuge erzählt er eindrücklich von der – heute von vielen Deutschen gerne verdrängten – Vergangenheit. „Ich sehe es als meine Pflicht“, erklärt er bescheiden seine – wie er es nennt – „Lebensabendbeschäftigung“. Sein Ziel: den Holocaust nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Seine Erinnerungen – 1985 in den Dachauer Heften erschienen – sind heute in mehrere Sprachen übersetzt.
Ehemaliger Häftling in der Gedenkstätte des KZs Dachau Foto: Heller/argum
„Ganz normal bin ich nicht“, meint er, „ich mache so viel.“ 1945 hat er begonnen, Bilder zu malen – anfangs, um die „Vergangenheit zu übermalen“, wie er meint. „Ich bin jetzt 74, man weiß nicht, wie lange das noch geht.“ Corinna Emundts
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen