■ Das Portrait: General Ratko Mladić
Bisher galt es als Spezialität des bosnisch-serbischen Oberbefehlshabers, sich immer wieder an die Wendungen der serbischen Politik anzupassen. Doch letzte Woche kam Ratko Mladić Belgrads starkem Mann auf dessen neuerdings friedlichem Wege in die Quere: Er lehnte das Angebot des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević ab, General der restjugoslawischen Armee zu werden. Schon im Vorfeld der Entscheidung war es in den Belgrader Medien zu einem Kollaps der üblichen Mythomanie gekommen: Večernje Novosti, die auflagenstärkste Tageszeitung der Hauptstadt, prophezeite Mladić eine Zukunft als „serbischer de Gaulle“, falls er das Lager der nationalistischen Fanatiker verlassen sollte. Srpska Reć, das Organ der größten Oppositionspartei, meldete den Sturz Miloševićs durch den General und ultrarechte Kräfte an, während das unabhängige Radio B 92 einen baldigen Vorstoß gegen Karadžić vermutete. Borba wollte dagagen „von irgendwoher“ erfahren haben, im Falle eines erneuten Nato- Angriffs wären Mladićs erste Ziele britische und französische UN-Einheiten, da die aktuelle Einflußnahme dieser Länder auf dem Balkan Verrat an alten Allianzen sei.
Mladićs Ablehnung löste Ratlosigkeit aus. Denn eigentlich steht der alte, ungeheilte Kommunist der Ideologie der neuen serbischen Kommunisten erstaunlich nah. Deren Kopf, Mira Marković, die Gattin des serbischen Präsidenten, führt derzeit eine „Hexenverfolgung“ Mit falschem HutFoto: Reuter
an. Karadžić und seine Anhänger werden offen als „Verbrecher“ bezeichnet, die einen „privaten Eroberungskrieg“ führen. Auch waren von Mladić seit Beginn der neuen Belgrader Friedenspolitik nicht einmal die sonst üblichen Übertreibungen gegenüber ausländischen Korrespondenten zu vernehmen. In den serbischen Medien hieß es einmal, er schweige aus Angst oder auf Befehl, ein anderes Mal, der General würde „das Geschäft sichern“. Dabei erscheint am wahrscheinlichsten, daß er einfach nichts zu sagen hat. Denn einer, der sein ganzes Leben lang militärischen Befehlen gehorchte, ist eben überfordert, wenn es gilt, sich zwischen zwei Fronten zu entscheiden. Letztendlich war die Entscheidung Mladićs wohl vom Kampf um den eigenen, verzerrten Mythos des serbischen Soldaten beeinflußt, der sein Volk schützt. Schließlich ist es ja gerade die Tragik des augenblicklichen politischen Schicksals Serbiens, daß es immer auf diesen Mythos ankommt. M. Živojnov
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