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■ Das PortraitIngrid Stahmer

Will Regierende werden Foto: Andreas Schoelzel

Eine, die sagt, persönlicher Ruhm sei ihr nebensächlich, will hoch hinaus. Die Berliner Sozialsenatorin Ingrid Stahmer brachte das Personenkarussell in der Berliner SPD überraschend ins Drehen: Am vergangenen Freitag kündigte sie an, als Spitzenkandidatin für die nächsten Berliner Wahlen im Herbst 1995 gegen den bisherigen SPD-Partei- und -Fraktionschef Ditmar Staffelt antreten zu wollen. Der Herausgeforderte schwieg zwei Tage lang – und legte am Montag abend sämtliche Ämter nieder. Lange habe sie überlegen müssen, ob sie ein solches Amt anstrebe, sagt die 52jährige. „Ich bin seit 30 Jahren Sozialpolitikerin mit Leib und Seele und mußte mich erst einmal selbst befragen, ob ich nicht lieber bei der Fachpolitik bleibe.“ Was sie bewogen hat, ihre Kandidatur anzumelden? „Ich denke, Berlin braucht jemanden, der sowohl die Auseinandersetzung nicht scheut als auch für Ausgleich sorgen kann.“ Einen Schwerpunkt ihrer Bewerbung sieht sie darin, daß sie eine Frau ist. „Wir haben in der Politik viel zuwenig Frauen. Ich möchte zeigen, daß eine Frau das auch kann.“ Als Sozialpolitikerin ist Stahmer kompetent. Auch in Zeiten massiver Kürzungen im Sozialetat versucht sie, zu pragmatischen Lösungen zu kommen. Die gelernte Sozialarbeiterin ist seit 1964 Mitglied der SPD und war viele Jahre lang Sozialstadträtin im Westberliner Bezirk Charlottenburg. 1989 holte SPD-Wahlsieger Walter Momper sie in die Kommission für die schwierigen Koalitionsverhandlungen mit der Alternativen Liste. Danach berief er sie als Senatorin für Gesundheit und Soziales und als Bürgermeisterin zu seiner Stellvertreterin. Auch in der Großen Koalition unter Eberhard Diepgen (CDU) erhielt sie 1991 wieder das Sozialressort.

Das vergleichsweise gute Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl in Berlin und die schlechte Figur, die Ditmar Staffelt in den letzten Monaten abgab, machten ihr offenbar Mut. Nach dessen Abgang stehen die Chancen für Ingrid Stahmer nicht schlecht. Auch sie zählt in der traditionell führungsschwachen Partei nicht gerade zu den Vordenkern, ist jedoch populärer als Staffelt. Sollte sie tatsächlich Spitzenkandidatin werden, ist sie entschlossen, Eberhard Diepgen den Kampf anzusagen. Das macht sogar dessen Sprecher Sorgen: Ingrid Stahmer, konstatierte er, sei für Diepgen eine Herausforderung. Und sie wäre die erste Frau, die in Berlin antritt, um Regierende Bürgermeisterin zu werden. Kordula Doerfler

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