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■ Das PortraitChristine Kuby

Mit 15 kämpfte sie an ihrem Gymnasium in der „revolutionären Schülergruppe“, vornehmlich gegen den Notenterror. Das war 1972. Später zog sie in eine Wohngemeinschaft, aus der sich eine Gruppe namens „Antifaschistischer Kampf“ rekrutierte. Eine führende Rolle spielte die junge Frau, die sich zur Arzthelferin ausbilden ließ, dort nie. Aber sie gehörte, wie sich ein Kampfgefährte von damals erinnert, „zum Unterfutter, zu denen, auf die man sich stützen konnte“.

Im Sommer 1977, Christine Kuby war jetzt 20, entschloß sie sich nach einem konspirativen Treff mit Abgesandten der RAF zum Abtauchen in den Untergrund. Das war wenige Wochen vor der Schleyer-Entführung, deren Eskalation sie aus der Ferne verfolgte: Wie die meisten anderen RAF-Mitglieder wurde die neue Genossin während des „Deutschen Herbstes“ nach Bagdad abgezogen, um dem ungeheuren Fahndungsdruck in Europa zu entgehen. Dort hielt sich auch Peter-Jürgen Boock auf, der seine Drogenabhängigkeit gegenüber der Gruppe als lebensbedrohliche Erkrankung tarnte. Boock brauchte Schmerzmittel, die es in Bagdad nicht gab. Also wurden Gruppenmitglieder ausgewählt, sie in Europa zu besorgen. Im November 1977 scheiterte der erste Drogenkurier: Nach einer wilden Ballerei nahm die holländische Polizei Gert Schneider in Amsterdam, von Kugeln durchsiebt, fest. Er überlebte knapp. Daraufhin sollte Christine Kuby es in der BRD versuchen. In Hamburg verlangte sie am 21.1. 1978 auf ein gefälschtes Rezept ungewöhnliche Mengen morphiumähnlicher Medikamente. Der Apotheker schöpfte Verdacht, holte die Polizei. Beim Festnahmeversuch eröffnete die RAF-Kurierin das Feuer. Sie selbst und ein Beamter wurden schwer verletzt. Da war Christine Kuby 21.

Nach 17 Jahren frei Foto: taz-Archiv

Das Oberlandesgericht Hamburg, das die Angeklagte „Staatsschutz-Kloake“ schimpfte, verurteilte sie am 2.5. 1979 zu „lebenslänglich“. Der frühere RAF- Anwalt Johann Schwenn nannte den Spruch einmal „das vielleicht fürchterlichste von allen RAF-Urteilen“. Christine Kuby, von 17jähriger Haft schwer gezeichnet und derzeit nach einer Bandscheibenoperation in einer Reha-Klinik, wurde gestern auf Beschluß des OLG Hamburg – endgültig – „vorzeitig“ entlassen. Die Gefangene sei nicht bereit, „sich zu unterwerfen und ihre politische Identität aufzugeben“, erklärte kürzlich ihre Anwältin Ursula Ehrhardt. Christine Kuby ist jetzt 38. Gerd Rosenkranz

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