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■ Das PortraitLeiterin einer KZ-Gedenkstätte

Sigrid Jacobeit Foto: Rolf Zöllner

Was an Sigrid Jacobeit als erstes auffällt, ist die Zeit, die sie sich für andere nimmt, obwohl sie eigentlich keine hat.

Als Direktorin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück trägt sie die Verantwortung für rund 100 Hektar Land. Diese müssen nicht nur verwaltet und finanziert, sondern auch neu gestaltet werden. Mit dem Abzug der Roten Armee, die auf dem Gelände des ehemaligen Frauenkonzentrationslagers einen militärischen Stützpunkt errichtet hatte, wurde der Weg frei für eine Neugestaltung des Lagergeländes. Parallel dazu initiiert und betreut Sigrid Jacobeit die wissenschaftliche Forschung in und über Ravensbrück.

Im Zentrum ihres Interesses steht die Begegnung mit ehemaligen Häftlingen. „Ravensbrückerinnen“ sollen in die Neugestaltung der Gedenkstätte mit einbezogen werden. Gleichzeitig will sie, daß beispielsweise durch Seminare die Zeitzeugen selbst die Geschichte des Lagers vermitteln. Das Kontaktnetz zu den Frauen möchte Sigrid Jacobeit weiter ausbauen. „Praktische Ravensbrück- Arbeit“ nennt sie das und meint damit neben der „wissenschaftlichen Ausbeutung“ der ehemaligen Häftlinge auch das Übernehmen von persönlicher Verantwortung für diese. „Irgendwann werden wir gemeinsame Geburtstage feiern und Kaffeekränzchen halten.“ Die Vermischung von Dienstlichem und Privatem ist dabei gewollt. „Für mich sind diese Frauen meine Energiequelle“, und die braucht sie auch, um die aufreibende Arbeit zu bewältigen.

Das Interesse für Menschen entwickelte Sigrid Jacobeit schon während ihrer wissenschaftlichen Ausbildung. Nach dem Studium der Ethnographie und Volkskunde an der Humboldt- Universität in Ost-Berlin promovierte sie 1979 über Bäuerinnen in der NS-Zeit. Unter den Zeitzeugen fand sie „so tolle Frauen“, daß diese von da an ihr Leben begleiteten.

Seit 1986 arbeitete sie als Wissenschaftliche Assistentin an der HU, und noch heute bezeichnet sie sich als „leidenschaftliche Hochschullehrerin“. Die Neubesetzung der Lehrstühle nach der Wende beendete ihre Unilaufbahn. Eine Neubewerbung war nicht erfolgreich. „Das passierte nach dem Motto ,Ost-Frauen raus, Wessi-Männer rein‘“, charakterisiert sie nachträglich die Entwicklung. Seit 1992 leitet Sigrid Jacobeit die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Kerstin Schweizer

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