■ Das Portrait: Der Ermittler
Die tiefste Krise in der zwölfjährigen Amtszeit der sozialistischen Regierung Spaniens hat einen Namen: Baltasar Garzón, Richter der 5. Kammer der spanischen audiencia nacional. Durch seine Ermittlungen gegen die „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ (GAL), die in Frankreich einen schmutzigen Krieg gegen baskische Flüchtlinge führten, machte sich der 39 Jahre alte, aus Andalusien stammende Jurist nicht nur südlich der Pyrenäen einen Namen.
1988, als er die Ermittlungen gegen die Söldnertruppe GAL aufnahm, geriet der junge Richter erstmals in die Schlagzeilen. Drei Jahre später fiel der Urteilsspruch: 108 Jahre Haft für die Polizisten José Amedo und Michel Domínguez. Die Suche nach den Auftraggebern scheiterte an der starren Haltung der Regierung González. Demonstrativ trug Garzón ein X an der Spitze des Organisationsschemas der Gruppe ein.
Wer ihm in die Fänge geht, hat es nicht leicht. Seine unerbittlichen Verhöre bis in die frühen Morgenstunden sind bekannt. Kaum einer seiner 13 Untergebenen hält diesen Rhythmus durch. Wer kann, läßt sich versetzen.
An „Miami Vice“ auf spanisch erinnern die Auftritte des Superrichters: Im Anzug, mit den Händen in der Tasche an Bord eines Handelsschiffes der Drogenkartelle, ganz im Yuppie-Look beim Verhör des internationalen Waffenschiebers und Geheimdienstfreundes Al Kassar, nach einem Verfahren gegen hochkarätige ETA- Mitglieder vor den Fernsehkameras flüchtend – alle haben mit dem Liebhaber italienischer Mode und Vater von drei Kindern Bekanntschaft gemacht.
Baltasar Garzón Foto: Reuter
Ein perfektes Bild, wäre da nicht ein kleiner schwarzer, oder besser roter Fleck auf seiner Weste. Als Unabhängiger auf Listenplatz 2 der Regierungspartei PSOE kandidierte Garzón bei den Parlamentswahlen im Juni 1993. Hat er vergessen, das er einst in Parteichef Felipe González den großen Unbekannten hinter den GAL vermutete?, fragte sich nicht nur die Presse.
Als Antidrogenbeauftragter des Innenministeriums arbeitete er mit all denen zusammen, die er heute als Chefs der GAL im Visier hat. Sein Plan, eine Sonderstelle zur Korruptionsbekämpfung einzurichten, scheiterte. Der Schuster besann sich frustriert auf seine Leisten und kehrte ans Gericht zurück. Der Vorwurf, es mit der Wiederaufnahme des Falles GAL seinen ehemaligen Freunden ordentlich heimzahlen zu wollen, wird ihm noch lange anhängen. Reiner Wandler, Madrid
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