Das Portrait: Der Schwiegersohn
■ Antonio Lacayo
Er wolle im nächsten Jahr bei den Präsidentschaftswahlen antreten, kündigte Nicaraguas Präsidialamtsminister Antonio Lacayo vor wenigen Tagen in einem Brief an seine Schwiegermutter Violeta Chamorro an. Daher werde er am 7. September von seinem Amt zurücktreten, um sich ganz dem Wahlkampf widmen zu können. Die Schwiegermutter, zugleich die Staatschefin Nicaraguas, kommt durch den Entschluß des 47jährigen in Verlegenheit. Denn für Violeta Chamorro ist Lacayo, der quasi das Amt eines Ministerpräsidenten ausübt, die entscheidende Stütze.
Lacayo, in den USA zum Industrie-Ingenieur ausgebildet, heiratete nach seiner Rückkehr Cristiana Chamorro, eine Tochter des Oppositionsführers Pedro Joaquin Chamorro. Kurz vor der Hochzeit wurde Chamorro 1978 im Auftrag des Diktators Anastasio Somoza ermordet. Anderthalb Jahre später brachte ein Volksaufstand die sandinistische Befreiungsfront an die Macht.
Will unbedingt Präsident
Nicaraguas werden: Antonio Lacayo Foto: taz-Archiv
Während des sandinistischen Jahrzehnts galt der Speiseölfabrikant Lacayo als „patriotischer Unternehmer“, der die zentral gelenkte Wirtschaftsplanung nicht boykottierte. In der Politik tauchte er erst 1989 auf, als ihn Violeta Chamorro, die als Kandidatin einer vereinten Opposition gegen die Sandinisten antrat, zum Wahlkampfleiter ernannte. Seine Taktik, Versöhnung über Konfrontation zu stellen, hatte Erfolg. Nach dem Wahlsieg 1990 wurde er Präsidialamtsminister.
Ab 1991 kümmerte sich Lacayo intensiv um die Wirtschaftspolitik, verhandelte mit den internationalen Geldgebern und erreichte unter großem Aufwand eine Stabilisierung der Währung. Der versprochene Wirtschaftsaufschwung blieb jedoch bis heute aus.
Vor wenigen Monaten gründete Lacayo eine neue Partei, das „Nationale Projekt“, eine Zentrumskraft, die für Allianzen nach allen Seiten offen ist. Dem Projekt wird jedoch bald die Luft ausgehen, wenn Antonio Lacayo nicht selber kandidieren darf. Vor seine Kandidatur hat die Verfassung ein Hindernis gesetzt: Als Famlienangehöriger der Staatschefin kann er sich nicht um die Präsidentschaft bewerben. Nach Gerüchten, er werde sich dann eben von Cristiana Chamorro scheiden lassen, will Lacayo, der sich „in seinen Bürgerrechten verletzt fühlt“, nun doch lieber den Verfassungsgerichtshof anrufen. Präsident Nicaraguas will er auf alle Fälle werden. Ralf Leonhard
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