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■ Das PortraitJohanna Paula I.

Ihre Ernennung kam so überraschend, daß die meisten Zeitungen noch am Tag danach kein Foto zur Hand hatten. Fernsehkameras irrten umher, bis sie den blonden Schopf der Harvard-Professorin ins Bild bekamen: Die 56jährige Mary-Ann Glendon wird die Vatikan-Delegation bei der Weltfrauenkonferenz in Peking führen. Bisher waren derlei Ämter stets männlichen Würdenträgern vorbehalten.

Tatsächlich jedoch stehen nahezu allen Frauenrechtlerinnen – auch den katholischen – die Haare zu Berge: Päpstlicher als Frau Glendon, so das Urteil über die Professorin für Verfassungs-, Familien- und Arbeitsrecht und Mutter von drei Kindern, könnte sich auch Karol Wojtyla selbst nicht aufführen. Vatikanologen nennen sie bereits jetzt „Johanna Paula I.“

Aufgefallen war sie erstmals, als sie im Zuge der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo voriges Jahr einen flammenden offenen Brief an ihren Präsidenten Bill Clinton geschrieben hatte, in dem sie „endlich drastische Schritte gegen den aufkommenden Antikatholizismus“ forderte. Der New Yorker Erzbischof O'Connor nahm sie anschließend unter seine Fittiche und schlug sie behend vor, als der Papst sich ernsthaft Gedanken um eine weibliche Delegationsleiterin machte.

Mary-Ann Glendon gehört zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung „Frauen für das Recht auf Leben“, auch ist sie Beraterin der „Katholischen Liga für religiöse und bürgerliche Rechte“. Das „Programm“ für ihre Delegation läßt aufhorchen: „Wie der Heilige Vater gesagt hat, kann es keine wirkliche Gleichberechtigung geben ohne einen Mary-Ann Glendon, Leiterin der Vatikan-FrauenFoto: Reuter

besonderen Schutz für Mutterschaft und Kindheit.“ Und die Selbstkritik, die Johannes Paul II. in seinem jüngsten Rundschreiben geübt hat, der langen Frauenunterdrückung wegen? „Der Heilige Vater hat vor allem den Sexismus verurteilt. Ansonsten hat er keineswegs etwas Neues gesagt oder eine Wende vollzogen, lediglich, daß die Menschen heute mehr auf ihn hören als früher.“ Zur Frage des Frauenpriestertums: „Wie der Heilige Vater gesagt hat, gibt es kein Recht auf Priestertum, das ist eine Berufung. Die Frage interessiert mich nicht sehr.“

Und die Abtreibung? „Wie der Heilige Vater sagt, muß man eine Gesellschaft schaffen, in der Abtreibung gar nicht mehr in Erwägung gezogen werden muß.“ Werner Raith

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