Das Portrait: Don Quichotte
■ William Kunstler
Belächelt, geliebt, verteufelt, gehaßt – wenn von dem New Yorker Staranwalt William Moses Kunstler die Rede war, gab es keine Indifferenz. Die einen vergötterten ihn als Held, für andere war er eine Gefahr für die Gesellschaft. Er selbst bezeichnete sich gern als „philosophischen Anarchisten“.
William Kunstler, hagerer Hüne mit widerborstigem Grauschopf und Brille, der bekannteste und umstrittenste Anwalt der USA, ist am Montag im Alter von 76 Jahren gestorben.
William Kunstler, linker Staranwalt der USA Foto: taz-Archiv
Seit den 60er Jahren durfte jeder auf Kunstler setzen, der es schwer hatte, sich gegen die Mächtigen und Herrschenden zu behaupten. Er war der Rechtsbeistand von Martin Luther King und erreichte 1966 die Rassenintegration in den Schulen von Washington. Er vertrat militante Vietnamkriegsgegner wie mordende Ghettokinder. Jack Ruby, der Mörder des Kennedy-Attentäters Lee Harvey Oswals, vertraute sich ihm ebenso an wie der Black Panther Stokely Carmichael, die Terroristin Patty Hearst oder militante Indianer. Zuletzt verteidigte er die arabischen Islamisten, die wegen des Bombenanschlags auf das New Yorker World Trade Center aus dem Jahre 1993 vor Gericht stehen, und Qubillah Shabazz, die des Mordversuchs an Louis Farrakhan verdächtigte Tochter von Malcolm X, der auch schon zu Kunstlers Klienten gehört hatte.
Gern ließ sich Kunstler auf dem Weg zum Gerichtstermin mit hochgereckter rechter Faust ablichten, in der Linken die dicken Prozeßakten. „Meine Vision Amerikas ist idealistisch wie unsere Verfassung“, sagte er einmal: „Daß alle Menschen gleich sind und daß die Verfassung unsere Rechte und Freiheiten schützen muß.“ Über sein Telefon wurde er regelmäßig mit Drohanrufen überschüttet, seine Kanzlei in Greenwich Village war immer wieder Ziel von Demonstranten. Hinterher entschuldigte er sich dann höflich in Rundbriefen bei seinen Nachbarn für das von ihm angerichtete Ungemach.
Zuletzt wollte er sein Ungemach selber stiften – als Kabarettist in einem New Yorker Café, wo er vor gerade einem Monat auf der Bühne O.-J.-Simpson-Witze riß und Gerichtsreminiszenzen ausbreitete.
„Ich bin wie Don Quichotte, ein Kämpfer für das Recht, auch wenn die Welt mich auslacht“, sagte Kunstler. „Ich verteidige nur Menschen, die ich liebe.“ Nun müssen seine Liebhaber sich jemanden Neues suchen. Paul Nellen
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