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Das PortraitUnter Verdacht

■ Lewis MacKenzie

Lewis MacKenzie, ehemaliger Chef der UNO-Truppen in Bosnien Foto: Reuter

General Lewis MacKenzie war der erste Oberbefehlshaber der UNO-Truppen in Bosnien-Herzegowina. Vom März 1992 an hatte er in Sarajevo gedient, im August wurde er überraschend abgelöst. Schon damals gab es Gerüchte, daß der 55jährige Kanadier an Menschenrechtsverletzungen beteiligt war. Er habe sich in den von Serben errichteten Bordellen bedient, hieß es. Er sei häufig Gast in dem berüchtigten Vergewaltigungslager „Sonja“ in Vogošća gewesen. Als er auch noch beschuldigt wurde, Frauen in sein gepanzertes Fahrzeug geladen zu haben, die seither als verschwunden gelten, wurde er aus dem Verkehr gezogen und abgesetzt.

Jetzt erklärte der bosnische Premier Hasan Muratović, es lägen Beweise vor, nach denen die Gerüchte von damals bestätigt werden. Diese Beweise würden ausreichen, den General vor das Kriegsverbrechertribunal nach Den Haag zu bringen. MacKenzie hatte zu den Vorwürfen bisher geschwiegen.

Als Tatsache wurde jedoch schon damals anerkannt, daß UN-Soldaten das „Restaurant Sonja“ besucht hatten. Damals hatten die serbischen Milizen in Vogošća und anderen von ihnen eroberten Orten rund um Sarajevo wie in anderen Teilen Bosniens regelrechte Vergewaltigungslager eingerichtet. Viele der Frauen sind dort auch ermordet worden, ihre genaue Zahl ist nicht bekannt. MacKenzie hatte sich nach seiner Rückkehr nach Kanada für eine Teilung Bosniens ausgesprochen. Er erklärte in vielen Reden und Interviews, alle drei an dem Konflikt beteiligten Parteien trügen die gleiche Schuld an dem Krieg und an den Greueltaten. Für Vortragsreisen, die von einer serbischen Exilorganisation veranstaltet wurden, erhielt er bis zu 10.000 Dollar täglich. Diese Organisation mit dem Namen Serb Net – Serbian American National Information Network – versuchte damals, den negativen Berichten über die serbischen Greueltaten „entgegenzuwirken“.

MacKenzie gab ungeniert politische Statements ab. So erklärte er, eine Intervention zugunsten der Bosnier gegen die Serben sei nicht zu rechtfertigen. Die meisten der Waffenstillstandsverletzungen würden seitens der bosnischen Armee begangen, erklärte er in zahlreichen Interviews für amerikanische Zeitungen und TV-Stationen. Nicht zuletzt seine Meinung beeinflußte damals die US- Regierung, sich nicht stärker auf dem Balkan zu engagieren. Erich Rathfelder

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