Das Portrait: Literarische Debütantin
■ Arundhati Roy
Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy erhält den höchsten Literaturpreis in den Ländern des britischen Commonwealth Foto:AP
„Für mich ist dies ein Preis für meine Vergangenheit,“ sagte die indische Schriftstellerin Arundhati Roy Dienstag nacht in London. Gerade war ihr Erstlingswerk „Der Gott der kleinen Dinge“ mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet worden war, dem mit umgerechnet 56.000 Mark dotierten prestigereichsten britischen Literaturpreis. „Nachdem ich das Buch geschreiben habe, stehe ich wieder auf Platz eins. Ich weiß nicht, ob ich noch eins schreiben werde.“
Die 37jährige Roy blickt nicht auf eine gradlinige Karriere zurück. Sie stammt aus einer gescheiterten Ehe zwischen einer Christin aus Kerala im Süden Indiens und einem Hindu aus Bengalen und wuchs in einer kleinen Stadt in Kerala auf. Mit 17 verließ sie ihre Mutter, studierte in Delhi Architektur und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Sie verkaufte am Strand von Goa Kuchen, arbeitete als Schauspielerin und errang schließlich als Drehbuchautorin einen indischen Filmpreis.
Auch der „Gott der kleinen Dinge“ spielt in Kerala. Das Buch ist eine historische Momentaufnahme eines Landes im Umbruch. Aus der Perspektive von Rahel, ein siebenjähriger Zwilling, beschreibt die Autorin den Emanzipationsprozeß von rebellischen Frauen und Unberührbaren, die zwar einen Teil ihrer Fesseln abwerfen können, für die aber noch kein Platz in der indischen Gesellschaft vorgesehen ist. In bildreicher Sprache und ungewöhnlicher Poesie schildert Roy das politische und kulturelle Mosaik Keralas, der ehemaligen Pfefferküste Indiens, bekannt für seine Pickles- und Curryproduktion. Sie erzählt das tragische Epos einer Familie, über die schließlich die Katastrophe hereinbricht, als die geschiedene Mutter Ammu ein Verhältnis mit einem Unberührbaren eingeht und die unschuldigen Zwillinge zu Mitschuldigen am Desaster werden. Diese letzte Szene des Buches – die Begegnung zwischen Ammu und ihrem Liebhaber – hat Roy in Indien eine Anklage wegen „Obszönität“ eingebracht.
Vier Jahre lang schrieb die Autorin, in ihrem Zimmer eingeschlossen, vormittags an ihrem Buch. Sie erzählte nicht einmal ihrem Mann, einem Filmemacher, was sie schrieb. Ihr Roman wurde auf Anhieb ein internationaler Erfolg. Er wurde inzwischen in 19 Sprachen übersetzt und ist auf deutsch beim Blessing Verlag erschienen. Beate Seel
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