Das Portrait: Mit links: Frischer Wind in Schweden
■ Gudrun Schyman
Schweden war auf dem falschen Weg, und Gudrun Schyman steht für die Kursänderung. Die Vorsitzende der Linkspartei hat diese bei den Parlamentswahlen vom Sonntag mit 12 Prozent zu Stimmenhöhen geführt, die weit über dem bisherigen, 1948 erreichten Spitzenwert von 6,3 Prozent (1994: 6,2) liegen. Dies ist zu einem großen Teil Gudrun Schymans persönliches Verdienst. Sie ist wesentlich populärer, als ihre Partei selbst und hat die höchsten Sympathiewerte schwedischer PolitikerInnen.
Dabei galt die 50jährige modebewußte Feministin vor einem Jahr wegen Alkoholproblemen bereits als abgeschrieben. Mehrfach war sie betrunken aufgetreten, und es bedurfte einiger Anläufe, bis sie sich öffentlich zu ihrer Abhängigkeit bekannte und einer Kur unterzog. Die Offenheit, mit der sie auch mit diesem Problem umging, stärkten ihre Glaubwürdigkeit als Politikerin insgesamt.
Die Linkspartei stubenrein gemacht zu haben, ist ein Verdienst der „Salonkommunistin“, die ihre politische Karriere 1968 im „Marxistisch-Leninistischen Kampfverband“ begonnen hatte. Kein Wirtschaftsboß hat heute schaflose Nächte bei dem Gedanken, Schyman und ihre Partei könnten größeren Einfluß auf den Kurs der schwedischen Politik erlangen. Als die Akademikerin 1993 den Parteivorsitz übernahm, war es mit Begriffen wie Klassenkampf und Arbeitermacht endgültig vorbei in der Partei, die 1989 die Bezeichnung „kommunistisch“ aus dem Namen gestrichen hatte.
„Zeit für Gerechtigkeit“ stand nun auf den Wahlplakaten. „In den letzten zwanzig Jahren hat sich alles zu sehr um das Recht des Stärkeren, um männliche Werte gedreht“, lautete eine zentrale Wahlkampfbotschaft. Schyman und ihre Linkspartei wollen dorthin zurück, wo die schwedischen SozialdemokratInnen einst die Basis für den weltweit bestaunten „Wohlfahrtsstaat“ legten: „Wir brauchen deutliche Werte. Respekt für jeden Menschen, Gerechtigkeit, Demokratie. Und wir brauchen eine ständige Diskussion über diese Werte. Diese stetige Debatte wird auch der Kitt sein, der unsere Gesellschaft zusammenhält und uns vereint.“
Kein Wunder, daß ihre Botschaft in einer Zeit angekommen ist, in der Begriffe wie Solidarität, Moral und Ethik in Schweden eine Renaissance erleben. Reinhard Wolff
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