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Das PortraitMutter Courage der Schweiz

■ Ruth Antoinette Dreifuss

Eigentlich ist die Wahl des Schweizer Bundespräsidenten Routine: Das Amt wechselt jährlich innerhalb des siebenköpfigen Bundesrates. Dennoch gab es gestern viel Wirbel. Erstmals wurde eine Frau und Jüdin zur Vorsitzenden der Schweizer Landesregierung gewählt: Ruth Antoinette Dreifuss.

Die streitbare Politikerin wurde 1940 in St. Gallen geboren. Mit 24 Jahren trat sie der Sozialdemokratischen Partei bei und wurde 1972 Mitarbeiterin der Schweizer Entwicklungshilfe. 1993 schießlich gelang ihr der große Coup: Als einzige Frau wurde Ruth Dreifuss in den Bundesrat gewählt. Ihre Arbeit als Innenministerin ist von ihrem gewerkschaftlichem Engagement und ihrem kompromißlosen Eintritt für die Gleichberechtigung der Frauen geprägt. Sie selbst sieht sich als „Türöffnerin für andere Frauen“, andere feiern sie bisweilen als Mutter Courage, als soziales Gewissen der Schweiz.

Besonders eingesetzt hat sich die 58jährige für die Mutterschaftsversicherung, für eine liberale Drogenpolitik und für die Öffnung der Schweiz nach Europa. Eine ihrer schwierigsten Aufgaben als Ministerin war die Reform und Finanzierung der Sozial- und Krankenversicherung. Ihrer Meinung nach muß „das magische Dreieck zwischen ökonomischem Wachstum, sozialer Absicherung und gerechter Verteilung der Ressourcen neu ausgewogen werden“.

Bei allem Engagement ist die neue Bundespräsidentin auch knallhart kalkulierende Wirtschafterin. Die aus einer humanitär engagierten Kaufmannsfamilie stammende Dreifuss arbeitete früh als Sekretärin, drückte bald wieder die Schulbank, um ihren Hochschulabschluß in Sozialarbeit und Volkswirtschaft auf dem zweiten Bildungsweg nachzuholen. Die unverheiratete Dreifuss spricht fünf Sprachen fließend.

Als sie gestern mit 158 von 236 Stimmen zur neuen Präsidentin gewählt wurde, ließen Vertreterinnen von Frauengruppen die Sektkorken knallen und Wunderkerzen brennen. Allerdings wird das politische Gewicht dieses Amtes nicht allzu hoch eingeschätzt. Die Sozialdemokratin wird vorrangig repräsentative Aufgaben wahrnemen müssen. In einem Jahr allerdings wird alles wieder beim alten sein, dann wird einer ihrer sechs männlichen Bundesratskollegen zu ihrem Nachfolger gewählt. Dorothee Krumpipe

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