Das Portrait: Das Model als Frauenrechtlerin
Waris Dirie
Nein, es gibt Fragen, auf die mag Waris Dirie in einer 45-minütigen Pressekonferenz inzwischen nicht mehr antworten. So wollte sie bei ihrem gestrigen Besuch bei Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in Berlin nicht noch einmal erklären, „wie es sich anfühlt, an den Genitalien verstümmelt zu werden“. „Lieber nicht“, antwortete Dirie, die ohnehin etwas abgespannt soeben aus New York gekommen war, „aber Sie können mir glauben, dass ich niemandem auf der Welt wünsche, das durchzumachen.“
Über ihre eigene Geschichte hat das einstige Supermodel, das seit drei Jahren als UN-Sonderbotschafterin aktiv ist, ein Buch geschrieben. In „Die Wüstenblume“ schildert die Somalierin in aller Offenheit, aber auch Brutalität, was täglich 6.000 Mädchen und Frauen weltweit durchleiden. Meist ohne Betäubung werden ihnen Rasierklingen, Glassscherben oder Messer an die Klitoris gesetzt und diese ganz oder teilweise entfernt. Die meisten von ihnen leiden ihr Leben lang unter fürchterlichen Schmerzen, erleben nie sexuelle Lust; viele werden unfruchtbar. Das Ritual ist über 4.000 Jahre alt, an der Tagesordnung in 28 afrikanischen Ländern. Dass inzwischen acht Länder Gesetze dagegen erlassen haben, bezeichnete Dirie gestern in Berlin als das wesentlichste Ereignis ihrer dreijährigen „Amtszeit“ als UN-Sonderbotschafterin: „Das und die Geburt meines Sohnes sind das Schönste, was mir in den letzten Jahren widerfahren ist.“
Für ihr Engagement wird Dirie heute mit dem Afrika-Preis 1999 der Deutschen Afrika-Stiftung geehrt. Seit 1993 zeichnet die Stiftung, die Zuwendungsempfängerin des Bundes ist, jährlich eine herausragende Persönlichkeit aus.
Wieczorek-Zeul, die Dirie als „starke afrikanische Frau“ bezeichnete, die „ihren Erfolg und ihr Charisma nutzt, gegen eine schreckliche Menschenrechtsverletzung anzugehen“, sprach sich anlässlich der Preisverleihung erneut dafür aus, Genitalverstümmelung in Deutschland als Verfolgungsgrund anzuerkennen. Ferner versprach sie, sich Ende des Monats beim nächsten informellen Ministertreffen der EU dafür einzusetzen, den Kampf gegen die Verstümmelung „aktiv in die Diskussion einzubringen.“ Waris Dirie: „Ich hätte nie gedacht, dass meine Arbeit eines Tages so anerkannt wird.“ Jeannette Goddar
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